Freiwilligendienste | Notfallpädagogik
+49 (0)721 20111-0
Waldorf weltweit | WOW-Day | Patenschaften
+49 (0)30 617026 30
Home: Freunde Waldorf

Argentinien: Ein Kindergarten im Regenwald macht Schule

News ,  Aktuelles ,  Waldorf weltweit

Vor sechs Jahren besuchten Elisabeth Rybak und Paula Kiefer im Rahmen ihres Freiwilligendienstes das Dorf Ñamandu, in dem es bereits eine Schule für die Kinder der indigenen Mbaya-Guaraní Kultur gibt. Die jüngeren Kinder kommen zwar zusammen mit ihren größeren Geschwistern zur Schule, der Staat finanziert jedoch keinen Kindergarten. Aufgrund dieser Beobachtung gründeten die beiden Freiwilligen dort kurzerhand einen Kindergarten. Sie erhielten dabei Unterstützung von anderen argentinischen Waldorfkindergärten und aus Deutschland. Die Freunde der Erziehungskunst konnten auch finanziell beim Aufbau helfen. Durch eine Verlängerung ihres Dienstes waren sie insgesamt zwei Jahre vor Ort. Inzwischen legten Sie das Projekt in die Hände anderer Freiwilliger. Außerdem konnten Sie einen Pädagogen gewinnen, der ihren Kindergarten in der Mbya Comunidad Ñamandu leitet. Alle gemeinsam haben viel erreicht: Der Kindergarten wurde zum Vorbild für weitere Initiativen in der näheren Umgebung, die auf den Grundlagen der Waldorfpädagogik arbeiten. Auch die Direktorin der Schule wurde aufmerksam und möchte nun auch in der Schule Elemente der Waldorfpädagogik einführen. Dafür reisten Paula und Elisabeth wieder nach Argentinien. In ihrem Newsletter berichtet Elisabeth Rybak von dieser Reise.

„Die Anthroposophie hilft mir, meine eigene Kultur zu verstehen!“ – Juan, der Mbya Lehrer der 1. Und 2. Klasse, äußerte dies dankbar während des zweiwöchigen Seminars mit Daniel Hafner in der indigenen Gemeinschaft Ñamandu im Norden von Argentinien. Zuvor hatten wir gemeinsam sehr intensiv über Wiederverkörperung gesprochen und darüber, warum manchmal kleine Kinder sterben müssen. Juan entdeckte dabei sehr viele Parallelen zwischen dem geistigen Gut der Mbya und der Anthroposophie. So ist es für die Mbya selbstverständlich, dass sich die Tiere alle von der ersten Gestalt des Menschen abgesondert haben. Nicht als Strafe, sondern als Erinnerung daran, in welche Extreme der Mensch zu verfallen vermag, wurden sie als Urbilder geschaffen. Und diese Urbilder schicken nun ihre Schatten auf die Erde – als Tiere.

Mit einem neuen Anliegen fuhren wir, Paula Kiefer und Elisabeth Rybak, noch einmal nach Argentinien, wo wir vor sechs Jahren einen Waldorfkindergarten im Dschungel für die Kinder der Mbya Guaraní gegründet hatten. Angefragt wurden wir von der Direktorin, ob es nicht möglich wäre, die ganze Schule mit Waldorfpädagogik zu durchtränken. Daher luden wir Daniel Hafner ein, damit er ein Seminar zur Einführung in die Anthroposophie und Waldorfpädagogik geben konnte. Während zwei Wochen arbeitete er morgens mit den sechs engagierten Mbya-Lehrer:innen und nachmittags gab er einen Kurs für alle Lehrer:innen der beiden kleinen Schulen und einiger interessierter Gäste aus dem Dorf. Zudem arbeiteten wir gemeinsam an Sprachgestaltung und Eurythmie.

Es zeigte sich, wie gut die Waldorfpädagogik das Weltbild der Mbya unterstützt und wie weit entfernt diese revolutionäre Bildung doch von dem klassischen argentinischen Schulsystem ist. Bereits früher waren wir oft die Vermittler zwischen den weißen-argentinischen Lehrerinnen und Lehrern und den Mbya gewesen. Und so nutzten wir den letzten Monat unseres Aufenthalts dafür, eine holprige Brücke zu schlagen. Keine leichte Aufgabe in einem Land mit verschiedenen sozioökonomischen Problemen, die wenig Raum für ein spirituelles Leben lassen. Der Unterricht in der traditionellen Schule zielt in erster Linie darauf ab, Bürger auszubilden, die die Flagge und die Nationalhelden feiern, die vor allem für die Eroberung des Landes und die Verdrängung der indigenen Bevölkerung bekannt waren. Und das alles wird begleitet von einem wahnsinnig bürokratischen Verwaltungsaufwand, der auch hier betrieben werden muss – mitten im Dschungel bei den Mbya Guaraní, die noch versuchen ihre traditionelle Lebensweise weiterzuführen. Deshalb wollen wir, dass die Mbya in ihrer Schule selbst die Kinder unterrichten dürfen. Auch wenn sie keine staatlichen Titel haben, sind sie die besten Lehrer:innen für diese herzensguten Kinder.

Einen Platz in der Schule – als Lehrerinnen und Lehrer – versuchten wir mit den Mbya gemeinsam zu erkämpfen. Und es ließ sich erstaunlich viel in diesen drei Monaten erreichen. Das gesunde Gefühl der Mbya bewirkte, dass sie ganz natürlich in die Methoden der Waldorfpädagogik einstiegen, die ihnen viel näher liegen als der Intellektualismus des argentinischen Schulsystems. Und damit die Mbya ihren Unterricht nicht losgelöst von dem sonstigen Schulbetrieb verfolgen, bemühten sich auch alle weißen Lehrer um ein Verständnis der anthroposophischen Erziehungskunst. Für sie war diese Umstellung jedoch wesentlich mühevoller, durchlitten sie doch durch ihre staatlich zertifizierte Ausbildung eine jahrelange Verkümmerung ihres pädagogischen Empfindens. Aber der Wille ist da. Insbesondere die Direktorin möchte den Kindern ermöglichen, nicht in einer fremden Sprache, sondern erstmal in ihrer eigenen Sprache und Kultur erzogen zu werden. Sodass sie stark werden können und sich, wenn sie groß sind, aussuchen können, wie sie leben mögen. Und dass die Kinder durch die Waldorfpädagogik erkraften, lässt sich bereits beobachten. Die jetzigen Fünftklässler waren damals bei uns im Kindergarten und hatten auch in der 1. und 2. Klasse das Glück künstlerischen Unterricht zu erhalten. Diese Kinder sind nun im Erleben der Lehrer:innen weiter und intelligenter als die 6.- und 7.-Klässler. Und sie sprechen zudem besser Spanisch, weil sie selbstbewusst sind und sich trauen, einfach drauflos zu sprechen.

Es ist ein großes Unterfangen aus einer so ursprünglichen Kultur heraus mit den Methoden der Waldorfpädagogik zu arbeiten, dessen sind sich alle bewusst. Aber die Mbya freuen sich über diese neue Chance, ihren Platz in der Welt neu ergreifen zu können und arbeiten sehr gerne in der Schule. Zeitlich freigestellt für diese große Aufgabe werden dankenswerter Weise mittlerweile vier Mbya von vielen lieben und treuen Spenderinnen und Spendern aus Europa. Und begleitet und unterstützt werden sie nun auch von einer argentinischen Eurythmielehrerin, die in der Nähe lebt.

Anthroposophie ist nicht nur da für eine Bildungselite in Deutschland – mit diesem Empfinden fuhren wir wieder zurück. Dort, wo sie wirken kann, können die eigentlichen Eigenheiten der Menschen zum Vorschein treten. Und sie ermöglicht es ganz bescheiden, dass alles von Kultur durchdrungen werden kann. Selbst für Menschen, die nicht lesen und schreiben können, vermag sie einen unmittelbaren Zugang zu geistigem Gut und neuen Impulsen zu eröffnen. So kann ein neues Geistesleben entstehen, das alle Menschen etwas angeht, weil es gleichzeitig so einfach und so vertiefbar ist.

Auch die indigenen Lehrer:innen, die nicht durch Spenden von uns finanziert werden, möchten nun unbedingt die Waldorfausbildung in der Provinzhauptstadt besuchen. So auch Dany. Eine der letzten Nachrichten von ihm in unserer Gruppe: „Wenn es dazu kommen sollte, werde ich die Waldorfpädagogik vor dem Bildungsausschuss verteidigen!“ Die anderen antworteten mit einem Handschlag.

Wir freuen uns weiterhin über jede Spende!

Elisabeth Rybak

Jetzt spenden!

Jetzt fördern & spenden
Jetzt fördern & spenden