Unsere Arbeit in der Ukraine

Als 2022 die russische Großinvasion begann, flohen viele Menschen aus den direkten Konfliktregionen im Osten in die relativ sicheren westlichen Regionen der Ukraine. So suchten auch viele Binnengeflüchtete Zuflucht in Riwne, einem kleineren Städtchen nordöstlich von Lwiw.

In Misto Sonza oder Stadt der Sonne öffnete eine kleine Waldorfinitiative ihre Türen und nahm so viele Kinder wie möglich auf. Den beiden Gründerinnen (eine Waldorflehrerin und eine Kindergärtnerin) war sofort klar, dass die Kinder zusätzliche Unterstützung brauchten. So nahmen sie an der Modul-Fortbildung in Notfall- und Traumapädagogik der Freunde der Erziehungskunst 2022/2023 in Lwiw teil. Davon begeistert initiierten und koordinierten sie mit dem Schulamt Riwne eine viertägige Einführung in die Notfall- und Traumapädagogik für 58 Lehrkräfte, Schulpsycholog:innen und Sozialarbeiter:innen, die im öffentlichen Schuldienst tätig sind. Diese Fortbildung wurde im März 2023 von einem internationalen Team ehrenamtlicher Mitarbeiter:innen der Freunde der Erziehungskunst durchgeführt.

Seit Dezember 2023 bietet die Stadt der Sonne zusätzlich nachmittags und an den Wochenenden traumapädagogische Aktivitäten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an. Tagesstruktur, Rhythmen und Rituale werde gepflegt, es wird gesungen, gespielt, plastiziert, gebastelt und bewegt. In psychoedukativen Elternabenden wird über das Thema Trauma informiert und Wochenend-Einführungen in Notfall- und Traumapädagogik für interessierte Lehrkräfte und Sozialarbeiter:innen aus der ganzen Ukraine angeboten, genauso wie mehrtägige praktische Workshops zu traumasensibler Kunst- und Musiktherapie, sowie Bewegung, zum Beispiel in Form von Eurythmie.

Die Stadt der Sonne ist also inzwischen auch ein Trauma-Kompetenzzentrum. Damit ist ein wichtiger Schritt in Richtung lokale Verankerung der Notfall- und Traumapädagogik gelungen, ein Ziel, auf das die Notfallpädagogik der Freunde der Erziehungskunst seit Beginn ihres Engagements in der Ukraine hinarbeitet.

Das Zentrum Harmonie wurde im Rahmen der jüngsten Kriegsgeschehnisse gegründet. Eine ehemals privatwirtschaftliche Musik- und Kunstschule in Odessa, die bis dahin in enger Zusammenarbeit mit der Stupeni Waldorfschule gearbeitet hatte, öffnete ihre Räumlichkeiten und bietet seitdem notfall- und traumapädagogische Unterstützung für binnenvertriebene Familien kostenlos an. Die meisten der binnengeflüchteten Menschen in Odessa kommen aus Mariupol, der Donezk Region, Cherson und Mykolajiw. Im Zentrum Harmonie erhalten sie altersgerecht Kurse in Eurythmie, Musik, Malen, Plastizieren, Theater, Geschichten, Holz- und Handarbeit. Ein Schwerpunkt wird auf die Arbeit von Eltern gemeinsam mit ihren Kindern gelegt, wobei Kinder zusammen mit ihren Eltern musizieren, kunsttherapeutisch arbeiten oder Theateraufführungen einüben.

Die Shkola Pokuttia ist eine kleine Waldorfschule mit den Klassen 1 bis 10 in Horodenka, am Fuße der Karpaten in der Region Iwano-Frankiwsk. Die Schule entstand durch die Mitglieder einer Familie in drei Generationen: Der Großvater hatte einen Waldorf Kindergarten für seine Kinder gegründet und diese Kinder bauten dann die Schule für ihre eigenen Kinder auf. Bereits kurz nach Kriegsbeginn öffnete die Schule ihre Türen für binnenvertriebe Familien. Nach dem regulären Schulbetrieb bietet der Trägerverein der Schule Mychajil nachmittags notfall- und traumapädagogische Aktivitäten an.

Über die Partnerorganisationen können viele betroffene Menschen notfall- und traumapädagogische Unterstützung erhalten, doch in Anbetracht des großen Bedarfs fühlen sich diese Angebote manchmal nur wie ein Tropfen auf einem heißen Stein an. Deswegen machen wir weiter, bilden mehr Menschen aus und bauen das Netzwerk der Partnerorganisationen weiter aus.