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Selbstgemachte Geburtstagskekse in Urlati

Das Pilotzentrum „Casa Rozei“ in Urlati (nördlich von Bukarest) ist seit über 10 Jahren Heimat für seelenpflegebedürftige Kinder. Als diese heranwuchsen, kam der Bereich der Sozialtherapie hinzu. Casa Rozei begann - wie die ähnlichen Initiativen in Simeria und Bukarest - seine Arbeit Anfang der 90er Jahre. Viele der seelenpflegebedürftigen Kinder konnten später wieder in ihre Familien integriert werden oder an „normale“ Spezialschulen wechseln. Für einige Kinder, die von ihren Familien verlassen worden waren, blieb Casa Rozei ihre neue Heimat. Als sie heranwuchsen, kam der sozialtherapeutische Bereich mit heute 50 jungen Menschen hinzu. 1998 bis 2000 entstand durch ein BMZ-kofinan­zier­tes Projekt der Freunde der Erziehungskunst unter anderem ein neues Wohn- und Arbeitszentrum.

Hallo! Mein Name ist Liviu und ich bin 21. Mein Freund Noel ist 17. Wir kamen vor vier Jahren aus einem großen staatlichen Heim hierher. Ich hatte niemals ein Zuhause oder eine Familie. Man hat mir gesagt, daß ich als Baby in einem Zug gefunden wurde. 

Jetzt sind Noel und ich Lehrlinge in der Küche von Casa Rozei. Unsere Hauseltern, Emilia und ihr Mann Christi, haben mir bei dieser Berufswahl geholfen. Zuerst versuchte ich das Gärtnern, aber ich mochte nicht warten, bis das Gemüse wächst! Ich koche es lieber und esse es mit meinen Freunden, besonders mit Noel.

Am Morgen, wenn die anderen zu ihren Werkstätten gegangen sind, gehen wir zur Speisekammer, um mit der Köchin Angela die Zutaten für das Mittagessen auszusuchen und abzumessen. Ich kann die Kilos lesen, aber nicht wie Noel die Gramm-Einteilung.

Ein Morgen in der Küche

Als wir heute wieder in der Küche sind, kommt Emilia und wir trinken erst einmal Tee. „Noel“, fragt Emilia, „hast du gut geschlafen? Heute ist ein besonderer Tag. Rate warum! Bist du bereit für einen arbeitsreichen Tag in der Küche?“ Doch Noel sieht sich um, als suche er etwas. Da ruft Angela: „O, Emilia, wir haben Leonie vergessen. Sie fegt den Speiseraum und sie steckt immer die Krümel und Wollreste in ihren Mund! Leeeeonie! Hör auf, Bindfäden zu kauen und komm zu uns. Es ist ein besonderer Tag, hörst du mich?“

Bei diesem Mädchen weißt du nie, was los ist. Sie antwortet nicht, selbst wenn man sicher sein kann, daß sie einen hört. Schließlich erscheint ein Kopf, ein Stück zerkauter Schnur hängt aus dem Mundwinkel. Die Augen zeigen ein schelmisches Lächeln, während sie sich zu uns setzt und eine Tasse Tee eingießt.

Noel kratzt sich am Ohr, ein Zeichen dafür, daß er Emilias Frage vergessen hat. Stille! Emilia schaut ihn fragend an, Noel kratzt sich immer noch. Jeder lacht, also muß ich meinen Freund retten. „Ich weiß es! Heute ist der Geburtstag von `Ian the Lion´ (Jan, dem Löwen). Christi hat es gestern abend erzählt. Ian wird heute 17.“ – „Ja, und wir haben um fünf Uhr Gäste“, erinnert sich Noel, während Leonie auf ihren weit offenen Mund zeigt, was soviel heißt, daß es dann große, leckere Schoko-Kekse geben wird.

Nun verteilen wir die Arbeiten: Angela und ich werden die Kekse machen, Emilia und Noel das Essen. Das ist großartig! Heute brauche ich nicht Gemüse schälen, trotzdem werde ich Noel nachher beim Kochen des Hühnchens helfen.

Mehr als nur Kekse

Ich schaue aus dem Fenster, träume von dem leckeren Essen und was sehe ich? Little Lady, die Katze, rennt mit einem Hühnerbein zum Heuboden, wo sie ihre Jungen bekommen hat. Soll ich es Emilia erzählen oder nicht? Ich schaue in den Kochtopf – immer noch voll mit Huhn. „Gut, Little Lady, wir werden das für uns behalten! Oder vielleicht zumindest bis heute abend...“, denke ich bei mir.

Bald steigen einem schon die Düfte in die Nase. Noel wacht sorgfältig über die kochenden Töpfe, seine Nasenflügel zittern freudig. Emilia schaut auf die Uhr, es ist noch viel zu tun: Geschirr spülen, Tisch decken... „Leonie, gehst du bitte in den Garten und pflückst einen Strauß Rosen für Lion?“

Währenddessen schlage ich die Eier für die Kekse und warte gespannt auf den Augenblick, wenn ich mit Angela die Schokocreme vorbereiten kann. Wie ich diese Creme liebe! In unserem früheren Heim hatten wir nur Biskuits. Ich frage mich, ob die Frauen dort nicht wußten, wie man Schokocreme wie Angela macht!

Aber was ist das...? Plötzlich wird die Küche dunkel. Ich schaue zu Leonie, die erstarrt ist wie eine Statue. Sie hat aufgehört zu kauen und schaut zum Fenster. Dann folgen Blitze und Donner – es ist Sommer, Stürme kommen jetzt jeden Augenblick, sehr zu Leonies Leidwesen. Sie wird jetzt ganz bestimmt nicht Blumen für Lion holen, aber dafür können wir gemeinsam die Kekse machen.

Nun ist die Vanillecreme fertig, sie kühlt ab – und dann werden wir die Kekse schmücken. Ich werde mit der weißen Creme schreiben: „Happy Birthday, Ian!“ Ich schließe meine Augen und träume auch von meinem Geburtstag. Vielleicht werde ich nächstes Jahr eine Arbeit im Taubenhaus [das Haus für die Heimkinder] bekommen. Ich habe gelernt zu kochen. Aber – für Kekse braucht es noch weiterer Übung. Wer weiß? Vielleicht werde ich eines Tages eine Arbeit in Herrn Dalvarus Keksgeschäft in der Stadt bekommen? Ich werde mit Christi heute abend darüber sprechen.

Roxana Byrde, Ärztin und Direktorin von Casa Rozei (übersetzt hn)

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