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Im Spannungsfeld von Philanthropie und Menschenverachtung

In der zweiten Häfte des 20. Jahrunderts erlebte Kolumbien eine zunehmende Verschärfung der politischen und sozioökonomischen Bedingungen. In den 70er und 80er Jahren gab es noch ein gewisses soziales Gleichgewicht, in den 90er Jahren bis zum Beginn des neuen Jahrhunderts eine immer größere Polarisierung, was zu sozialer Gewalt und politischem Verfall führte.

Noch immer ist die Mordrate in Kolumbien sehr hoch. Entführungen gehören zum täglichen Brot. In vielen Dörfern ist es durch die willkürlich handelnde Guerilla so gefährlich geworden, dass die Menschen von dort in die Städte flüchten. Dadurch wachsen die Städte explosionsartig. Vor 50 Jahren hatte Bogotá 300.000 Einwohner, heute kann man nur ahnen, dass es 8-10 Millionen sein müssen.

In Kolumbien ging Waldorfpädagogik von philantropischen Unternehmern aus, die sich für eine nachhaltige Veränderung in ihrem Land einsetzen wollten. Einer der erfolgreichen Unternehmer, der sich von unten emporgearbeitet hatte, war Luis Horacio Gomez Escobar. Zusammen mit dem spanischen Psychologen und Universitätsprofessor Andres Sevilla, der Waldorfpädagogik aus Europa kannte, ermöglichte er die Gründung der ersten Waldorfschule.

Cali
Die Luis-Horacio-Gomez-Stiftung, eine der ersten Wohltätigkeitseinrichtungen in Kolumbien, hatte sich zum Ziel gesetzt, kolumbianischen Studenten Auslandsstipendien zur Verfügung zu stellen. Als dies wegen der Studentenunruhen in den 70er-Jahren nicht mehr möglich war, entschieden sich Luis Horacio Gomez und seine Frau Olga Arango de Gomez der Stadt Cali ein Erziehungszentrum zu schenken, das die üblichen Erziehungsmethoden ändern sollte. Als Lehrer der Waldorfschule Luis Horacio Gomez gegen Ende seines Lebens die Frage stellten, warum er in jenem Moment den Waldorfimpuls förderte, antwortete er: "Weil ich es nicht aushalten kann, wenn man ein Kind schlecht behandelt."

Die Übersetzungen von Juan Berlin (1913-1987), der damals als einziger Studienmaterial ins Spanische übersetzt hatte, waren die einzige schriftliche Grundlage für die Lehrerausbildung. Juan Berlin bildete die Brücke, über die sich Waldorflehrer aus Europa und den Vereinigten Staaten am Aufbau der Waldorfschule in Cali beteiligen konnten. Weitere Unterstützung kam von der Universität der Franziskaner-Gemeinde im Zentrum der Stadt, aus der die Gründungslehrer stammten.

1977 eröffnete der erste Waldorfkindergarten in Cali mit zwei Gruppen. 1979 wurde die Schule gegründet, die nach einigen Umzügen 1986 von der Luis-Horacio-Gomez-Stiftung ein Grundstück und Gebäude in einer ländlichen Gegend außerhalb der Stadt in unmittelbarer Nähe einiger der bekanntesten Schulen geschenkt bekam, das sie seither nutzt. Die Schule ist voll ausgebaut.

Benedikta zur Nieden beriet die Waldorfschule in Cali und gründete im Februar 1985 die zweite Waldorfschule Kolumbiens in Medellin. Benedikta zur Nieden (1910-1998) war eine weitere Persönlichkeit, die sich für Waldorfpädagogik in Kolumbien eingesetzt hat. In Deutschland aufgewachsen, war sie mit einem Geschäftsmann aus Antioka, Diego Echev Arria Misas, verheiratet, der sich bis zu seinem Tod durch Kidnapping für Kunst und Kultur eingesetzt hatte. Anfänglich wurde das Schulgeld aus der Ayuda-Stiftung zur Niedens finanziert, bis für die Schule ein Trägerverein gegründet wurde und die Eltern selbst für das Schulgeld aufkamen. Neben der Waldorfschule in Medellin entstand das "Centro Humanistico Micael", ein Waldorflehrerseminar.

Die Waldorfeltern gehören in der großen Mehrheit dem Mittelstand an und leiden stark unter dem ökonomischen Druck dieser sozialpolitischen Krise. Trotzdem wurde alles getan, damit auch Kinder derjenigen Familien die Waldorfschule weiterhin besuchen können, die ihre Arbeit verloren haben.

Seit 1998 gibt es an der Waldorfschule Cali einen Elternverband, der durch einen Solidaritätsfonds den Austritt einer großen Zahl von Kindern verhindert hat. Dies ist nur ein Beispiel, wie die Zivilbevölkerung Kolumbiens sich für gegenseitige Hilfeleistung einsetzt. Hilfeleistungen kommen ebenfalls den durch Gewalttätigkeiten Vertriebenen, Obdachlosen, Aidskranken und unheilbar Krebskranken, Witwen, Waisen und Behinderten zu.

Beim letzten Besuch der Erziehungsbehörde bestanden die Inspektorinnen darauf, dass die Erfahrungen mit Waldorfpädagogik der Öffentlichkeit von Cali in größerem Maße als bisher zugänglich gemacht werden. Damit bekundeten sie ihre Anerkennung für die pädagogischen Leistungen der Waldorfschule Cali.

Nachdem inzwischen bereits acht Mal eine Klasse die Waldorfschule Cali mit dem Abitur verlassen hat, ist einiges Echo von ehemaligen Schülern zu hören, wie z. B. "Durchhaltekraft habe ich in der Waldorfschule entwickeln können, jedoch fehlt es mir an akademischem Wissen. Ich kann jedoch zur besten Buchhandlung der Stadt fahren und mir das beste Buch kaufen, um es zu studieren; aber die menschliche Bildung, die ich in der Waldorfschule bekommen habe, kann ich aus den Büchern nicht herausholen …" Es ist interessant, dass sich die Eltern in ähnlicher Weise äußern, wenn sie gefragt werden, warum sie ihr Kind auf die Waldorfschule geschickt haben.

Medellin
In Guarne, einer Kleinstadt etwa 60 km von Medellin entfernt, unterrichtete Senior Octavio Mejia, ein pensionierter Lehrer, täglich vier bis fünf Kinder. Ihm war es ein Anliegen, die Pädagogik Rudolf Steiners in seine Arbeit einfließen zu lassen. Dies sprach sich unter den Eltern der Stadt herum, und bald war nicht einmal mehr Platz auf dem Fußboden seines Wohnzimmers, um all die Kinder aufzunehmen, die zu ihm kommen wollten. Nach vielen Bemühungen stellte die Stadt eine Finca in Guarne zur Verfügung, in der Platz für die ersten vier Klassen ist, und in der im Februar 1999 mit einer Kindergartengruppe und einer Vorschulklasse begonnen worden ist.

Sozialarbeit in Bogotá
Seit Beginn der 90er-Jahre gibt es in Bogotá das Projekt "Extra Muros". Sozialarbeiter kümmern sich um einige der vielen tausend auf der Straße lebenden Kinder, alle unter zehn Jahren und versuchen ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen und Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Das Lebensgefühl dieser Kinder lässt sich folgendermaßen beschreiben: "Hineingeboren sein in aller ärmste Verhältnisse, wie ins Nichts. Aufgewachsen in einer Umgebung von permanent anwesender Gewalt: handgreiflich, blutig, Seele und Leib misshandelnd, dadurch sich selbst und den Menschen entfremdet, ohne Selbstbewusstsein, ohne Gefühl für sich selbst und die anderen. Mit etwa drei Jahren ausgestoßen sein, leben in einer "Gallada" (Kinderbande), verrohend, absolutes Gesetz des Stärkeren. Leben von Diebstahl, Hehlerei und Mord, umgeben von Desinteresse, Ignoranz und Lethargie. Leben im Jetzt und Heute, was morgen ist, weiß ich nicht, erlebe ich vielleicht nicht mehr."

Seit 1997 betreut "Extra Muros" ein Umsiedlungsprojekt, das begann, als in Bogotá eine am Bahndamm gelegene Brettersiedlung eingerissen werden sollte. Mit Hilfe der Sozialarbeiter von "Extra Muros" fanden sich die Behörden nach langen Verhandlungen dazu bereit, an anderer Stelle eine Wohnsiedlung für die Familien zu schaffen, die durch die Baumaßnahmen ihr Dach über dem Kopf verlieren sollten.

Inzwischen ist eine Siedlung entstanden, in der jede Familie eine einfache Wohnung hat. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sichern die Mietzahlungen, mit den Kindern wird mehrmals die Woche gebastelt, sie spielen Theater und erhalten Hausaufgabenbetreuung sowie Nachhilfeunterricht. Durch den Verkauf selbst gebastelter Gegenstände können sie sich ein Taschengeld verdienen. Über Hygiene, Familienplanung, Gesundheitserziehung werden die Eltern in abendlichen Kursen informiert. "Extra Muros" arbeitet daran, den Ärmsten der Armen in Bogotá eine Lebensperspektive zu eröffnen.

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