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Methoden

Methoden im Umgang mit traumabedingten Verhalten

Alle notfallpädagogischen Interventionen in den ersten Tagen und Wochen nach dem traumatisierenden Geschehen haben das Ziel, die Bewältigungsstrategien und Selbstheilungskräfte des Kindes anzuregen und zu stärken, um so eine eigenständige Verarbeitung der Erlebnisse zu unterstützen und die Erkrankung an Trauma-Folgestörungen abzuwenden. Dabei geht es vorrangig um die Erschließung kindlicher Ressourcen. 
Im Folgenden sollen einige Leitlinien und Methoden zum notfallpädagogischen Umgang mit Psychotraumata bei Kindern und Jugendlichen aufgezeigt werden.

Wege aus der Krise: Stabilisierung durch Notfallpädagogik

Unser Alltag wird durch die Coronakrise immer weiter eingeschränkt. Viele Menschen sind besorgt und vor allem Kinder verängstigt diese Situation. Angst und Stress schwächen jedoch das Immunsystem. Daher ist es neben der Unterbrechung der Ansteckungsketten und den nötigen Hygienemaßnahmen besonders wichtig, auch an die psychosoziale Stärkung zu denken und die Resilienz zu verbessern. Wir werden von nun an eine Reihe von Videoclips zur Verfügung stellen, in denen Methoden aus der Notfallpädagogik vorgestellt werden, die zur psychosozialen Stärkung und damit auch zur Stärkung des Immunsystems beitragen.

Anregungen und Methoden

Hier finden Sie Ideen für Bastelarbeiten, Anregungen zur Gestaltung der Kindergarten- und Schulfreien Zeit sowie Tipp, wie Sie mit Kindern und Jugendlichen über die aktuelle Krise sprechen können. Wir haben alle Materialien nach Alter sortiert hier aufgeführt. Selbstverständlich können die Bastel- und Handarbeiten aus dem Kindergarten auch im Grundschulalter gemacht werden. Wir wünschen viel Spaß damit!

Kinder in Krippe und Kindergarten

Grundschulkinder

Jugendliche

Gefühle zulassen, erleben, verarbeiten

Die Bewältigung traumatischer kindlicher Erfahrung hängt im Wesentlichen davon ab, inwieweit es dem Kind gelingt, seine eigenen Gefühle zu erleben und zu verarbeiten. Erwachsene haben im Umgang mit Gefühlen für das Kind Vorbildfunktion. Sie müssen die Gefühle des Kindes zulassen, sich für sie interessieren und das Kind bei der Verarbeitung unterstützen.

Erlebnisse und Gefühle verbalisieren

Es ist kaum möglich, ein Trauma zu verarbeiten, ohne darüber zu sprechen. Ausdruck schafft Distanz. Deshalb ist es für traumatisierte Kinder wichtig, Erlebnisse und Gefühle sprachlich zu verarbeiten, sie auszudrücken und sie damit aus sich herauszusetzen. Das ist für traumatisierte Kinder schwer, und sie dürfen auch nicht dazu gezwungen werden. Aber aus Verdrängung und Verleugnung als Abwehrmechanismen entsteht ein Vermeidungsverhalten, wie es z.B. bei Phobien und Zwängen beobachtet werden kann. Auch depressive Störungen können sich aus Verdrängungsreaktionen ergeben.

Kreative Ausdrucksmöglichkeiten suchen

Wenn das traumatisierte Kind nicht in der Lage ist, seine Erlebnisse und Gefühle in Worte zu fassen, ist es wichtig, andere kreative Ausdrucksmittel zu finden. Im Schreiben von Tagebüchern, Briefen, Gedichten und Erzählungen lassen sich traumatische Erlebnisse, Gefühle, Erinnerungen und Gedanken bearbeiten und bewältigen. Durch Malen und Zeichnen können traumatische Erfahrungen verbildlicht und verarbeitet werden. Das Musizieren kann dazu beitragen, unzugängliche Gefühle erlebbar zu machen. Ebenso wie durch Malen und Musik lassen sich auch durch Plastizieren und Kneten schockgefrorene Emotionen lösen.

Ritualisierungen einführen

Nach einem Trauma ist das Leben des Kindes aus den Fugen geraten. Rituale sind deshalb hervorragende Mittel zur Traumabewältigung. Sie schaffen inmitten der traumabedingten inneren Chaotisierung neue Ordnung, Orientierung und Sicherheit im Lebensalltag des Kindes und fördern dadurch den Heilungsprozess. Wichtige Rituale zur Neustrukturierung sind Einschlaf- und Aufwachrituale, Tischrituale, Mittagsruhe, regelmäßige Ernährung sowie eine geregelte und rhythmisierte Tagesgestaltung.

Rhythmen pflegen

Rhythmus ist Leben. Jede Rhythmusstörung schwächt und führt zu psychischem Unwohlsein. Traumatisierte Kinder leiden unter Störung vieler existenzieller Rhythmen, auf denen unsere physische und psychische Gesundheit beruhen, wie z.B. Verdauungsrhythmus, Schlafrhythmus, Essrhythmus, Rhythmus von Erinnern und Vergessen, von Anspannung und Entspannung usw. Jede Form der Rhythmuspflege stärkt die Lebenskräfte, die Selbstheilungskräfte und damit das psychische Befinden. Deshalb ist es pädagogisch sinnvoll, mit den Rhythmen des Tages, der Woche, des Monats und des Jahres bewusst erzieherisch zu arbeiten. Auch die rhythmische Gestaltung des Alltags kann zur Traumabewältigung beitragen. Musikalische Rhythmusübungen, Lieder, Verse, rhythmische Spiele, Trommeln, rhythmische Klatschübungen usw. wirken im Traumakontext heilsam und restrukturierend.

Bewegung fördern

Viele traumatisierte Kinder sind verkrampft und verspannt. Der Schreck sitzt ihnen förmlich in den Knochen. Sie haben meist keinerlei Lust, sich zu bewegen. Bewegung aber ist gesund und kann auch zu einem guten psychischen Befinden führen. Sportliche Betätigung sollte deshalb bei traumatisierten Kindern immer wieder angeregt werden, wie z.B. Joggen oder Schwimmen. An Waldorfeinrichtungen ist die Bewegungskunst der Eurythmie und Heileurythmie als „sichtbare Sprache“ besonders zur Traumabewältigung geeignet, denn sie verbindet Bewegung mit innerem Ausdruck. Auch Bothmergymnastik kann ab dem 12. Lebensjahr die Eurythmie ergänzen. Wichtig dabei ist, die Raumerfahrung des Körpers und der Polaritäten von oben/unten, rechts/links, vorne/hinten, da sie hilft, sich wieder im Leib zu zentrieren. Auch gemeinsame Spaziergänge oder Wanderungen regen die Durchblutung an, fördern eine gleichmäßige Atmung und lösen neurobiologische Blockaden in der Synchronisation von Gehirnfunktionen. Darüber hinaus vertiefen sie das Zusammengehörigkeitsgefühl.

Für ausgewogene Ernährung sorgen

Ernährung hat Auswirkungen auf die Abwehrkräfte, auf die Gesundheit und das physische Befinden. Nach einer Traumatisierung sollte im Idealfall auf eine ausgewogene, vitaminreiche und frische Nahrung geachtet werden. Kinder und Jugendliche sollten daher an eine ausgewogene Ernährung herangeführt werden. Dies unterstützt Heilungsprozesse.

Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit stärken

Die allermeisten Kinder sind nach einem Trauma unkonzentriert, vergesslich und leicht ablenkbar. Viele von ihnen verlieren schnell das Interesse an einer Sache. Altersgemäße Konzentrations-, Gedächtnis-, Geschicklichkeits- und Geduldsübungen können in der Förderung dieser Kinder hilfreich sein. Als besonders geeignet haben sich Suchbilder, Puzzle, Mikado, Memory, Mandalas, Basteln usw. erwiesen. So kann es spielerisch gelingen, die Konzentrationsfähigkeit zu stärken. Gleichzeitig lernen die Kinder und Jugendlichen mit Frustration, z.B. beim Verlieren, umzugehen, was der traumabedingten Störung der Sozialkompetenz entgegenwirkt. Auch Fadenspiele trainieren die Gehirnfunktionen und die Motorik.

Zum Spielen anregen

Im Spiel durchlebt und verarbeitet das Kind das, was es erlebt hat. Im Gegensatz zu den Ohnmachtsmomenten, die das Kind durchleben musste, lenkt und leitet es beim Spielen die Geschehnisse. Das Gefühl der Kontrolle hilft dabei über die erfahrene Ohnmacht hinweg. Durch gemeinsames Spiel mit den Bezugspersonen kann Vertrauen, Sicherheit und Geborgenheit erlebt werden. Pädagogische Fachkräfte seien an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der befreienden Kraft des normalen Spielverhaltens das traumatische Spiel entgegensteht. Es befreit nicht, sondern wiederholt unentwegt intrusionsartig das traumatische Erlebnis. Da das traumatische Spiel keine Entwicklung kennt und phantasielos und retraumatisierend ist, muss es vom Erwachsenen unterbrochen werden.

Für Entspannung sorgen

Traumatisierte Kinder sind übererregt und benötigen dringend Momente der Entspannung. Gezielte Atemtechniken sind geeignet, Unruhe und Angstzustände positiv zu beeinflussen, da physiologische Angstreaktionen durch Atemverlangsamung vermindert werden können. Auch durch Entspannungsgeschichten können kindliche Ängste und Übererregungszustände vermindert werden. Sie dienen der Beruhigung und schaffen damit eine wichtige Grundlage der Traumabewältigung.

Selbstwert aufbauen und fördern

Kinder werden nach einer Traumatisierung erst dann wieder zukunftsfähig, wenn sie ein positives Selbstbild aufbauen und ihre eigenen Stärken wiedererkennen. Das Kind sollte sich als erfindungsreich, tatkräftig und selbstwirksam erleben. Probleme sollten als Aufgaben verstanden werden, die es zu lösen gilt. Ein überlebtes Trauma drückt Stärke aus. Auch Katastrophen können positiv gewendet werden, wenn man ihnen einen Sinn zu geben vermag. Um den Selbstwert eines Kindes zu erhöhen, bedarf es also der Hilfe zur Selbsthilfe. Im schulischen Kontext sollte ihnen Verantwortung übertragen werden (z.B. Tafeldienst), Selbständigkeit gefördert, Körperbeherrschung geübt und Erfolgserlebnisse ermöglicht werden. Vor allem das Gefühl respektiert und angenommen zu werden, stärkt den Selbstwert des Kindes. Nimmt das Kind Aufgaben an und wird aktiv, muss es von Seiten der Pädagoginnen und Pädagogen gelobt und bestärkt werden, denn traumatisierte Kinder bedürfen einer Pädagogik der Ermutigung.

Selbstwirksamkeit erhöhen und erfahrbar machen

Traumatisierte Kinder haben Momente der Ohnmacht und Hilflosigkeit erlebt und die eigene Selbstunwirksamkeit erfahren. Diese Erfahrungen können ihre Lebenseinstellung nachhaltig prägen. Es ist pädagogisch von entscheidender Bedeutung diese Erfahrungen zu korrigieren. Die Durchführung altersgemäßer Projekte, die die Selbstwirksamkeit der Kinder erfahrbar machen, ist für die Traumabearbeitung enorm wichtig. Handarbeiten, Handwerken, ökologischer Gartenbau und Theaterprojekte sind besonders effektiv. Auch können karitative Projekte, also die Übernahme von Verantwortung für andere, bei der Bearbeitung belastender Erfahrungen helfen.

Zukunft planen

Traumatisierte Kinder haben prägende, tiefgreifende Ohnmachtserfahrungen und Gefühle der Hilflosigkeit hinter sich. Sie haben die Hoffnung auf ein gestaltbares Leben eingebüßt. Auch auf Grund ihrer Intrusionen und Flashbacks sind sie vergangenheitsfixiert. Solche Kinder benötigen neue Hoffnung für die Zukunft. Sie müssen in kleinen Schritten an Zukunftsgestaltungen herangeführt werden. Hierzu eignen sich z.B. gemeinsame Planungen für ein Essen, ein bevorstehendes Fest oder einen Ausflug.

Religiöse Gefühle pflegen

Besonders für traumatisierte Kinder kann die Pflege religiöser Gefühle orientierend, sicherheitsspendend und haltgebend sein. Außerdem können sich z.B. Gebete (Tischgebete, Abendgebet) als Rituale zum Aufbau einer rhythmisierten Tagesstruktur eignen. Religiöse und spirituelle Verwurzelung gelten als starke Schutz- und Resilienzfaktoren gegen Traumatisierung.

Freude heilt

Freudige Momente erhöhen die Bereitschaft des Organismus zur Gesundung. Freude, Empathieerleben und positive Erinnerungen führen zur Kohärenz der Herzrhythmen sowie zur Erhöhung der Produktion von Immunglobulinen A. Erlebte Freude stärkt also die Widerstandsfähigkeit traumatisierter Kinder und regt ihre Selbstheilungskräfte an. Freude heilt!

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