
Mein Jahr in Südafrika
Jonas Schwalenberg in der Camphill Farm Community in Hermanus
"Jedem der überlegt ein Jahr als Freiwilliger im Ausland zu verbringen kann ich nur sagen: Macht es! Für mich war dieses Jahr der Schritt raus aus der Schule und rein ins richtige Leben, mit all‘ seinen Herausforderungen.
Mein Name ist Jonas Schwalenberg und ich habe zusammen mit sieben weiteren Volunteers ein Freiwilligenjahr in der Camphill Farm Community in Hermanus absolviert. Meinem Träger, den Freunden der Erziehungskunst, bin ich sehr dankbar: Das Schritt für Schritt Betreuung, die verschiedenen Seminare und der Support, wann immer nötig und soweit wie möglich, sind nicht selbstverständlich.
Als ich Ende August 2018 in Kapstadt abgeholt wurde, habe ich mir auf der Autofahrt gewünscht, dass sie nicht endet, da ich nervös war, weil ich nicht wusste was mich erwartet. Dann sind wir doch irgendwann angekommen. Als das Auto davon fuhr, stand ich da, mit meinem Koffer, allein in einem fremden Land in einer mir unbekannten Umgebung. Ich habe mich klein gefühlt, 10.000 Kilometer von Zuhause entfernt, ganz auf mich gestellt. Die Einfahrt zu meinem Haus, Cinnabar war ein Gang ins Ungewisse, der sich lang gezogen hat. Doch in der Haustür fiel direkt alle Anspannung von mir ab. Mein damaliger Hausvater hat mich erwartet und sich kurz mit mir unterhalten. Mit ihm bin ich sehr eng geworden und ich bin dankbar, ihn kennen gelernt zu haben. Mein Zimmer war zunächst wenig einladend: Kalte Steinfliesen, ein riesiges Zimmer, „empty“ passt als Beschreibung ganz gut, ein paar Kühe vor dem Fenster. Kurz darauf kam eine der Residents (so werden die Bewohner des Camps genannt). Sie brachte mir einen Kaffee, zeigte mir ein bisschen was vom Haus und ich lernte die ersten Cinnabars-Bewohner kennen.
Ab diesem Zeitpunkt ist Cinnabar meine Heimat in Südafrika geworden. Obwohl es oft stressig war, und meine Mit-Volunteerin Leonie und ich gefordert waren (ich bin froh, dass ich nicht alleine war), habe ich das Gefühl bekommen, wirklich gebraucht zu sein, gewollt und geliebt zu sein. Dieses Gefühl, ein Teil des Hauses zu sein, stellte sich schon nach kurzer Zeit ein. Die intensiven Verbindungen, die ich zu den Residents aufgebaut habe, sind etwas ganz besonderes, da die Menschen etwas Besonderes sind. Das Gefühl ist mit der Vertrautheit eines guten Freundes oder Familienmitgliedes vergleichbar und doch verschieden. Ich bin dankbar und stolz, dass ich einen Platz in den Herzen der Residents gefunden habe.
In den Workshops habe ich mich sehr wohlgefühlt, von gelegentlichen Schwierigkeiten abgesehen. Ich war im Herbgarden und im Egggarden. Im Egggarden habe ich gespürt, ich gehöre hier hin. Ich war Teil des Netzwerks, das ihn am Laufen hält, die Residents hier gehören zu meinen engsten Vertrauten. Im Egggarden steht auch ein Sofa, mit Blick auf zwei der Berge um Hermanus. Immer wenn es mir schlecht ging, abends nach dem Workshop, setzte ich mich auf das Sofa und schaute der Sonne beim Sinken zu. Die Berge glühten orange, die Wolken am Himmel wurden rot und pink und bläulich. Der Tag war geschafft und es wurde Zeit, zur Ruhe zu kommen. Für mich sind diese Berge in der Abendstimmung mit der sinkenden Sonne, und die damit verbundene Ruhe so wichtig, dass ich sie mir in Hermanus als Linie auf meinen linken Ringfinger habe tätowieren lassen.
Mein Jahr war voller besonderer Momente. Da gab es Dancing with Volunteers: Jeden Sonntag tanzten und spielten wir eine Stunde mit den Residents. Oder Hendrik, mit dem ich nach jedem Mittagessen an eine Backsteinmauer hinterm Haus gelehnt stand und seinen Geschichten zuhörte. Die vielen Community-Veranstaltungen, Picknick auf der Wiese, aber auch Weihnachten am Strand mit meinen Volunteers, oder unzählige Abende im Barneys, unserer Stammbar. Das Meer werde ich vermissen, es hat mich das Jahr über ständig begleitet, und wir waren oft an den Klippen oder am so genannten „Camphill Beach“.
Das ist es, was das Jahr für mich besonders gemacht hat: Kleine Momente im Alltag, die ich nicht erwartet hatte, die mir aber Freude und ein Lächeln geschenkt haben. Das Gefühl, akzeptiert und gemocht zu werden, so wie ich bin, nichts beweisen zu müssen und mich nicht verstellen zu müssen. All das gibt mir bis heute Kraft.
Ich fühle mich jetzt so, als hätte ich dort das erste Mal ins richtige Leben geschaut. Ich habe Erfahrungen gesammelt und gelernt, durch gute und schlechte Herausforderungen zu gehen. Die schlechten zu meistern und die guten zu genießen. Ich fühle mich bereit, in meinen neuen Lebensabschnitt zu starten und freue mich darauf, diesen mit meinen Händen und mit meiner Kraft zu gestalten."



