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Das Tor zum Frieden

(aus: Waldorfpädagogik weltweit, S. 160-161, Copyright-Hinweise beachten!)

In Tansania leben etwa 30 Millionen Menschen. Mehr als 129 Volksstämme sprechen unterschiedliche Sprachen; auf dem Festland leben mehrheitlich Christen und Angehörige von Naturreligionen. Julius Nyerere, genannt "Mwalimu", Lehrer, der Tansania in die Unabhängigkeit geführt hat und als Mandela von Ostafrika verehrt wird, verpflichtete das Volk auf eine gemeinsame Sprache, das Kisuaheli. Diese Entscheidung trug sicherlich zu der Harmonie bei, in der die vielen unterschiedlichen Volksstämme heute zusammenleben können, eine Harmonie, die in den Nachbarländern so schmerzlich vermisst wird. Auch der Name der ehemaligen Hauptstadt Dar es Salaam, "Tor zum Frieden", ist bezeichnend. Englisch wird als zweite Sprache an allen Schulen gelehrt. Das Land ist unübertroffen in seiner Schönheit von den Korallenküsten um Sansibar bis zu den Usambarabergen und dem Kilimandscharo. 25 Prozent des Landes sind solche Naturparks und Reservate wie die Serengeti und der Ngorongoro.

Tansania hat eine Fläche von 884.000 km2 und verfügt über reiche Bodenschätze, die noch kaum ausgebeutet werden. Die Regierung hatte in den 70er-Jahren die Wirtschaft verstaatlicht, was aufgrund von Misswirtschaft und Korruption zu einer katastrophalen Verarmung des Landes geführt hat. In den 90er-Jahren wurde das Ruder herumgeworfen, aber die Liberalisierung führte zunächst zu verstärkter Arbeitslosigkeit mit einer Polarisierung von Arm und Reich. Jetzt ist eine Erholung der Wirtschaft deutlich spürbar.

Schlimm sieht es auch im Bereich der Schulen aus. Der Staat hat nicht genug Geld, um die mehr als dürftigen Lehrergehälter zu zahlen; oft verspäten sie sich um mehrere Monate. Obwohl viele Eltern ihre Kinder gar nicht mehr in die Schule schicken, sind Klassen mit hundert und mehr Kindern keine Seltenheit. Aus diesem Grund werden mehr und mehr Privatschulen gegründet, denn die Reichen wollen eine gute Erziehung für ihre Kinder. Die meisten dieser Schulen werden als Wirtschaftsunternehmen aufgebaut und entsprechend geführt.1

Die Hekima Waldorfschule

"Hekima" ist ein Kisuaheli-Wort und bedeutet Weisheit, eine Fähigkeit, die in der Schule veranlagt werden soll, dies der Wunsch der Gründer der 1997 gegründeten Waldorfschule in Dar es Salaam. Die Schule liegt etwa 10 km nördlich vom Zentrum von Dar es Salaam im Stadtteil Msasani Beach. Das zweistöckige Gebäude hat Platz für acht Klassen, ist solide gebaut und liegt in einem wunderschönen Garten von etwa 5000 m2 .

Den Impuls zur Waldorfpädagogik brachten zwei ehemalige Waldorfschüler, David Lynne und James McCulaugh, von der Wynstones Waldorfschule in England, die in Tansania als freiwillige Helfer arbeiteten. David und James unterrichteten am "Dogodogo Zentrum für Straßenkinder", das von Rashidi Mbuguni geleitet wurde, und an der Myflower School, deren Direktorin Adeline Mlay war.

Durch Gespräche mit den beiden ehemaligen Waldorfschülern lernten Rashidi und Adeline, die späteren Gründungspersönlichkeiten, die Methoden der Waldorfpädagogik kennen und begeisterten sich dafür. So entstand der Entschluss, auch in Dar es Salaam eine Waldorfschule zu gründen. Zum Gründerkreis der neuen Waldorfschule gehörten Eigentümer und Mitarbeiter des ersten privaten Medienhauses "The Business Times", u. a. Rashidi Mbuguni, Gertrude und Richard Nyaulawa, Adeline Mlay und Richard Mandara.

Der Staat kann keine Unterstützung leisten

Die Kindergärtnerin Fundiwa Mndende eröffnete 1997 den Kindergarten mit sechs Kindern. Im Jahr darauf übernahm Irmgard Wutte aus Nairobi, Kenia, die 1. Klasse mit zehn Kindern. Peter van Alphen und Ann Sharfmann vom "Centre for Creative Education" in Südafrika begannen im Juli 1997 für 14 tansanische Lehrerinnen einen Fortbildungskurs, die inzwischen dort den Unterricht übernommen haben. Die neu gegründete Waldorfschule erhält keine Unterstützung durch den Staat, der damit kämpft, seine eigenen Schulen finanzieren zu können. Registrierung und Akkreditierung nehmen aufgrund der Bürokratie und einigem Unverständnis von staatlicher Seite mehr Zeit in Anspruch als gedacht.

Bisher wurde der Lehrplan der Waldorfschule noch nicht der lokalen Kulturtradition angeglichen, was erst dann geschehen soll, wenn sich die Lehrer intensiver mit Waldorfpädagogik vertraut gemacht haben. Tansania hat ein reiches künstlerisches Kulturerbe, das an der Waldorfschule unterrichtet werden kann. Das traditionelle Gemeinschaftsleben in den tansanischen Dörfern kann die Basis für eine neue Form der Schulgemeinschaft bilden.

Die neu gegründete Schule steht vor drei Problemen: dem Mangel an ausgebildeten Waldorflehrern, Eltern zu finden, die nicht nur eine gute Schule für ihre Kinder suchen, sondern Waldorfpädagogik verstehen und unterstützen, und Finanzmittel, um die junge Initiative am Leben zu erhalten. Die tansanische Öffentlichkeit betrachtet Waldorfpädagogik allgemein als eine wundervolle Idee. Es gibt aber auch Gegner, die Schule mit Lesen und Schreiben lernen gleichsetzen. Die Praxis der Waldorfpädagogik, erst ab der ersten Klasse Lesen und Schreiben zu unterrichten, verwirrt viele Eltern.

Gemeinschaft als Basis für den Lernprozess

Waldorfpädagogik hat in Tansania große Entwicklungsmöglichkeiten, denn viele Eltern suchen für ihre Kinder eine gute Erziehung. Sie antwortet auf die Entwicklungsnöte des Landes, indem sie eine integrierende, holistische Erziehung bietet, die kreatives Denken und kreative Fähigkeiten fördert, die so notwendig sind für die Zukunft des Landes. Das wunderbare der Waldorfpädagogik ist die Gemeinschaft als Basis für jeden Lernprozess. Während andere Initiativen der Entwicklungszusammenarbeit versuchen, den Lernprozess von der Realität zu isolieren und zu abstrahieren, bezieht Waldorfpädagogik die ganze Gesellschaft in den Lernprozess ein und wird dadurch ein Zentrum für Entwicklung, das wiederum in die Gesellschaft ausstrahlt.

ADELINE MLAY

1 Christoph Eisele, Darmstadt. Reisebericht, Oktober 2000.

Adeline Mlay
Studium von Management und Finanzwesen. Mitarbeit bei UNICEF und USAID. Beraterin und Mitbegründerin der "Hekima" Waldorfschule in Dar es Salaam.

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