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Zurück zur Natur

(aus: Waldorfpädagogik weltweit, S. 138-139, Copyright-Hinweise beachten!)

Seit der Portugiese Fernao de Magalhaes (1480-1521) in spanischem Auftrag die philippinische Inselwelt für Europa entdeckte, ist das Land von westlichen Einflüssen geprägt. Der Name geht auf den spanischen König Philipp II (1527-1598) zurück, katholische Missionare verbreiteten ihren Glauben und die Hauptstadt Manila wurde mit einem Kastell, einer Art Stadt in der Stadt, zum strategisch wichtigen Handelsknotenpunkt für Spanien. Durch die Einwanderung von Europäern, Chinesen und Amerikanern sind die Philippinen zu einem multikulturellen Staat geworden. Heute werden dort etwa 90 regionale Sprachen gesprochen. Neben dem Englischen gehören das Filipino (Tagalog) und das Cebuano zu den wichtigsten Sprachen, die jeweils etwa von einem Viertel der Bevölkerung gesprochen werden. In der Hauptstadt Metro Manila, wie die 8-Millionen-Stadt mit ihren unkontrolliert entstandenen Vororten und Slums genannt wird, entstand Anfang der 90er-Jahre die erste Waldorfinitiative Südostasiens.

Wie Waldorfpädagogik zum ersten Mal in Südostasien Fuß fasste

Vier Philippinos, Nicanor Perlas, Joaquin und Bella Tan und Mary Joan Fajardo, fanden sich bereits 1987 zusammen, um sich mit Waldorfpädagogik zu beschäftigen. Es folgten Studien in den Waldorflehrerseminaren in Melbourne, Australien und Spring Valley, USA. In den Jahren 1992 bis 1994 bereisten die beiden Frauen die Mountain Province im Norden und die Inseln Bohol und Negros in der Visayas Region im Süden von Manila und hielten vor Erziehern von Tagesstätten, Waisenheimen und Kindergärten, vor Zuckerplantagenarbeitern und interessierten Eltern Workshops über Waldorfpädagogik und Kleinkinderziehung. 1992 gründeten sie den Verein "Rudolf Steiner Education in the Philippines". Ein erster ebenfalls 1992 gegründeter Kindergarten für zehn Kinder auf der biologisch-dynamisch geführten "Ikapati-Farm" musste wegen mangelndem Interesse schon bald wieder schließen.

Ein zweiter Versuch führte 1994 zur Gründung eines Kindergartens in New Manila, Quezon City (12 km außerhalb von Manila). 1996 eröffnete die 1. Klasse mit zunächst 4, später 6 Kindern. 2000 hatte die Manila Waldorfschule zwei Spielgruppen für Mütter und Kinder, zwei Kindergartengruppen mit 43 Kindern sowie 53 Schülerinnen und Schülern in fünf Klassen.

Naturnähe ist ein Schwerpunkt der Schule, da Spiele mit Sand und Naturmaterialien in der Metropole unüblich sind. Daher nimmt auch die Feldbauepoche in der 3. Klasse einen hohen Stellenwert ein. Die Kinder der 3. Klasse machen einen Ausflug nach Tiaong, Quezin, auf eine biologisch-dynamische Farm, um den Reisanbau mitzuerleben. Sie krempeln ihre Hosenbeine hoch, waten durch den Schlamm, ziehen Reihen mit einem Pflug und pflanzen die Reissetzlinge bis zu den Knien im Wasser stehend. Einige Reissetzlinge nehmen sie mit zurück ins Klassenzimmer und beobachten ihr Wachstum.

Naturwissenschaft als Kunst und Magie

Wer sind die Eltern, die ihre Kinder in diese Schule schicken? Eine Mutter erzählt ihre Motive in einem Brief an ihre Freundin:

"Erinnerst du dich an unsere Gespräche während unserer Schulzeit? Auf deinem Bett liegend, erschöpft vom Kampf mit dem Biologielehrbuch, dachten wir uns aus, wie man Chemie als Magie und Biologie als Kunst unterrichten könnte. Neutronen, Protonen und Elektronen fingen an wie in einem Gemälde von Gustav Klimt zu tanzen. Könnten wir nicht die Funktionen der Zellen besser begreifen, wenn wir sie mit unseren Gedanken berühren könnten. Das war unsere Art der Rebellion gegen Lehrer, die nur ein einziges Interesse hatten: Wir sollten auswendiglernen, um gute Noten zu bekommen, damit uns unsere Eltern nicht von der Schule nehmen würden, gegen die Führung durch Aufsichtspersonen, die uns ermahnten, unsere Füße und unsere Fragen bei uns zu behalten.
Wir träumten von einer Schule, an der Wissen als Einsicht vermittelt würde, an der Farben und nicht nur Zahlen zählen und an der Kinder als vollkommene Menschenwesen betrachtet werden. Wir versprachen uns damals, dass, wenn wir jemals eine solche Schule finden würden, wir unsere Kinder im Bruchteil einer Sekunde dort einschulen würden.
Nun gut, ich habe eine solche Schule gefunden. Oder vielleicht auch hat sie mich gefunden. Sie heißt Waldorfschule. Alekos, mein vierjähriger Sohn, geht dorthin und er hat sich innerhalb eines Jahres zu einem so phantasievollen, interessierten und ausgeglichenen Jungen entwickelt, dass ich ihm jeden Abend über sein Gesicht streichle, um sicher zu sein, dass er es noch ist."

 

Die Seminararbeit der beiden Gründerinnen der Waldorfschule trug auch außerhalb Manilas Früchte. 1998 eröffnete eine kleine waldorfinspirierte Kindergartengruppe auf der südlich von Manila gelegenen Insel Cebu. 1999 richteten zwei Mütter eine Spielgruppe für Mütter und Kinder in Ayala Alabang ebenfalls im Süden des Landes ein. Im selben Jahr übernahm ein staatlicher Kindergarten in Isabela im Norden Manilas Elemente der Waldorfpädagogik und hofft, den Kindergarten langsam transformieren zu können.

Waldorf-Lehrerausbildung auch für Sozialarbeiter attraktiv

Seit 1996 finden in Manila regelmäßig Lehrerfortbildungsseminare statt, die von Gastdozenten aus Australien, den USA und Europa gehalten werden. Durch die Präsentation der Ausstellung "Waldorfpädagogik" der Freunde der Erziehungskunst 1996 im Vargas Museum der Universität Manila konnte Waldorfpädagogik einer größeren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Dank der von den Freunden der Erziehungskunst initiierten "Round-Table-Diskussion", die die asiatischen Waldorfpioniere an einen Tisch bringt, entstand 1999 eine dreijährige Teilzeitlehrerausbildung in Manila, die mit 38 Teilnehmern aus mehreren asiatischen Ländern begonnen hat und von der Internationalen Vereinigung der Waldorfkindergärten in Stuttgart, Deutschland, finanziell unterstützt wird. Interessiert sind besonders Erzieher aus privaten Kindergärten, Kindertagesstätten und Waisenhäusern sowie Sozialarbeiter, die mit Straßenkindern und Kindern der unterprivilegierten Bevölkerungsschichten arbeiten. Der Wunsch nach pädagogischen Anregungen für Kinder mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen führte im Januar 2001 zu einem ersten Kurs über Heilpädagogik.

Die Manila Waldorfschule heute

Waldorfpädagogik ist in den Philippinen immer noch in den Anfängen. Die einzige Waldorfschule ist eine Privatschule und erhält keinerlei Unterstützung durch den Staat. Die Eltern müssen daher den gesamten Schulbetrieb finanzieren. Die Schule ist offiziell vom Erziehungsministerium anerkannt und hat eine Unterrichtslizenz erhalten. Dank vieler Publikationen in der Presse und Mund-zu-Mund-Propaganda erlangt die Manila Waldorfschule auch in der Öffentlichkeit mehr und mehr Anerkennung.

BELLA C. TAN

Bella C. Tan
Kindergärtnerin, verantwortlich für Fortbildungskurse in Waldorfpädagogik und Kooperation mit Waldorfschulen im Ausland.

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