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Waldorfpädagogik im Land der Inkas

Das legendäre Goldland Peru wurde bis 1531 von den Inkas beherrscht, deren Hauptstadt Cusco hoch in den Anden lag. Die Dynastie der Inka entstammte der Völker- und Sprachgruppe der Ketschua. Die Hochkultur der Inka-Völker, ihre erstaunliche Baukunst, Keramik, Bildhauerei, Weberei, Metallverarbeitung und Medizin, ist aus früheren Kulturen hervorgegangen. Sie wurde durch die spanischen Konquistadoren zerstört, die ihrerseits ihre Hauptstadt Lima an der Mündung des Rimac-Flusses erbauten.

Verbot von Auslandsschulen

Der Gründungsimpuls für eine Waldorfschule in Lima, Peru, ging von dem deutschen Ehepaar Angelika und Wolfgang Spittler (W. Spittler 1934-1996) aus. Im Jahr 1967 war eine kleine Schule, das "Colegio Novalis", mithilfe von Helmut von Kügelgen (1916-1998), Deutschland, gegründet worden, die aber schon wenige Jahre später mit dem Regierungsumsturz und dem damit einhergehenden Verbot von Auslandsschulen schließen musste. Die Idee und der Wunsch nach einer neuen Schulgründung wurde 1971 durch die erste südamerikanische anthroposophische Tagung in Brasilien angestoßen. Schon bald begannen die Vorbereitungen für die neue Schule unter Mithilfe und großem persönlichen Einsatz zahlreicher Freunde aus verschiedenen Ländern. Als Gründungslehrer konnte Douglas Pundsack, Deutschland, gewonnen werden. In Spanien aufgewachsen, brachte er spanische Sprachkenntnisse sowie eine reiche pädagogische Erfahrung aus seiner 28-jährigen Klassenlehrerzeit an der Waldorfschule am Engelberg, Deutschland, mit.

Anerkennung als Experimentalschule

Das neue "Colegio Waldorf Lima" wurde im März 1982 durch den Förderverein "Asociacion Benefica Pro Niño" in einem Schulneubau mit zwei Kindergartengruppen und drei Klassen eröffnet. Dafür war eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, Seminartätigkeit und Spendenwerbung nötig. Schon 1981 war die Waldorfschule als so genannte "Experimentalschule" staatlich anerkannt worden. Der Experimentalstatus ermöglichte die Durchführung des Unterrichts nach dem Waldorflehrplan.

Ein Charakteristikum war und blieb die Internationalität des Kollegiums. Die ersten Lehrer kamen aus Peru, Chile und Frankreich und in den folgenden Jahren aus Spanien, Deutschland und mehreren lateinamerikanischen Ländern. 1989 wurde das "Colegio Waldorf Lima" in das Netzwerk der UNESCO-Projektschulen aufgenommen, das innovative Schulprojekte fördert. An UNESCO-Projektschultagen haben Schülerinnen und Schüler Bäume gepflanzt, ein denkmalgeschütztes Gelände der Inkakultur vermessen oder Hilfsaktionen für Schulen in Not gemacht. 1990 verließen die ersten Absolventen das "Colegio Waldorf Lima"; damit war die erste Waldorfschule Limas zur zwölfklassigen Schule aufgebaut.

Durch die sich unter dem Regierungspräsidenten Alan Garcia rapide verschlechternde Wirtschaftslage Ende der 80er-Jahre kam auch das "Colegio Waldorf Lima" an seine Existenzgrenze. Dies ist jüngst unter dem Präsidenten Alberto Fujimori aus ähnlichen Gründen wieder der Fall gewesen. Da viele Eltern das Schulgeld nicht mehr bezahlen können, ist die Schülerzahl im Januar 2000 von 340 auf 250 zurückgegangen.

Kindergarten- und Heilpädagogik

Weitere Gründungsinitiativen des Ehepaars Spittler waren der 1986 gegründete Zarate-Waldorfkindergarten für Arbeiterkinder in einem Industrieviertel und die 1989 ins Leben gerufene heilpädagogische Schule "San Cristoferus". Im Jahr 1994 gründete Silvia Siccia mit der Unterstützung des Fördervereins der Christengemeinschaft den Waldorfkindergarten "Casita de Juegos" und im selben Jahr Douglas Pundsack den Waldorfkindergarten "Jardin de Infancia" in Cieneguilla. Aus letzterem entwickelte sich seit 1998 eine kleine weitere Waldorfschule außerhalb von Lima, das "Colegio Waldorf Cieneguilla", das im März 2001 fünf Klassen umfasste. Im Großraum Lima gibt es zurzeit zwei weitere Waldorfschul-Initiativen. Erste keimhafte Ansätze entstehen auch im Norden Perus, in Chiclayo, und im Landesinnern, in Cuzco und in Huancayo.

Lehrerseminar staatlich anerkannt

Um der wachsenden Notwendigkeit nach einer grundständigen Lehrerausbildung auch im eigenen Land zu begegnen, gründete Douglas Pundsack das private Lehrerseminar "Instituto Superior Pedagogico Schiller-Goethe" in Lima. Das Lehrerseminar wurde im August 1991 als Ausbildungsstätte für Kindergärtner und Primarschullehrer unter der Leitung von Rosa Tasayco staatlich anerkannt. Nach einer Anfangsphase mit berufsbegleitenden Kursen, die bis heute angeboten werden, konnte im April 1994 schließlich der erste fünfjährige Vollzeitkurs für Kindergärtner und Klassenlehrer beginnen. Insgesamt studieren in den fünf Jahrgängen knapp 50 meist sehr junge Peruanerinnen und Peruaner.

Die Absolventen der fünfjährigen Waldorfausbildung können an jeder staatlichen oder privaten Grundschule unterrichten. So hat das Lehrerbildungsinstitut mit der staatlichen Anerkennung und dem Ziel, waldorfpädagogische Elemente auch in das herkömmliche Erziehungssystem zu integrieren, einen Pioniercharakter innerhalb Lateinamerikas. Im Dezember 2000 hat bereits der dritte Jahrgang seine Ausbildung beendet, und die ersten Erzieherinnen und Lehrer praktizieren in den Waldorfeinrichtungen Limas.

Bildungspolitische Gesamtsituation

Trotz staatlicher Anerkennung erhält keine der bestehenden Waldorfeinrichtungen finanzielle Unterstützung durch den Staat, sodass zum Teil nicht ganz geringe Studiengebühren verlangt werden müssen. Dies führt in einem Entwicklungsland zu besonders großen Finanzierungsfragen und -schwierigkeiten, wenn es sich nicht um eine Elite-Einrichtung handeln soll. Die fehlende staatliche Unterstützung der Waldorfeinrichtungen muss in Zusammenhang gesehen werden mit einem großen politischen Desinteresse am Thema Erziehung als solchem. Während der letzten zehn Jahre unter Fujimori haben zehn Erziehungsminister einander abgelöst und jeweils Reformen eingeführt, die alle nicht wirklich gefruchtet haben.

Erziehung wird insgesamt und nicht nur von den Politikern völlig unterbewertet, sofern keine Geschäfte mit ihr gemacht werden können. Letzteres ist aber seit 1993 mit der neuen Verfassung erlaubt und hat zur Folge, dass sich in den vergangenen Jahren die Kluft zwischen billigen, entsprechend schlechten staatlichen und teuren, privaten Erziehungseinrichtungen ungemein vergrößert hat. "Kein Geld, keine Ausbildung" lautet das Urteil für die Betroffenen, und jeder kennt die Folgen.

Fehlende Motivation herrscht auch unter den Pädagogen. Warum soll man Kraft in einen Beruf investieren beziehungsweise woher soll man sie nehmen, wenn man wegen eines Hungerlohns von etwa 170 Euro monatlich gezwungen ist, parallel einen Zweitberuf auszuüben?

Der so nötige bildungspolitische Wandel in Peru setzt erfahrungsgemäß viele kleine Schritte voraus. Waldorfpädagogik in Peru möchte zur Verbesserung der Schulqualität in Peru einen Beitrag leisten.

ROSA TASAYCO PAREDES
BETTINA VIELMETTER
 

Rosa Tasayco Paredes
Klassenlehrerin. Mitbegründerin des "Colegio Waldorf Lima"und des Lehrerseminars "Instituto Superior Pedagogico Schiller-Goethe" in Lima.

Bettina Vielmetter
Seit 1996 Mitarbeiterin. Dozentin für Biologie, Geographie und Menschenkunde am "Instituto Superior Pedagogico Schiller-Goethe" in Lima.

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