Insel des Spielens
(aus: Waldorfpädagogik weltweit, S. 136-137, Copyright-Hinweise beachten!)
In Malaysien gibt es sowohl staatliche als auch private Schulen. Staatliche Primar- und Sekundarschulen sind kostenlos und werden von der Mehrheit der malayischen Kinder besucht. Es gibt nur wenige private Primar- und Sekundarschulen, aber die Zahl der privaten Colleges und Universitäten ist groß.
Schon für die Primarstufe gibt es drei verschiedene Unterrichtssprachen: Bahasa Malaysia, die malayische Sprache, Tamil, eine der indischen Sprachen, und Chinesisch. An staatlichen Schulen wird in der Sekundarstufe in malayischer Sprache unterrichtet. Private Schulen folgen meist dem britischen oder amerikanischen Lehrplan und unterrichten Kinder aus Familien ausländischer Herkunft oder aus Familien, die eine Ausbildung ihrer Kinder im Ausland planen. Das staatliche Schulwesen wird zentral vom Erziehungsministerium geplant. Lehrplan und Lehrbücher werden durch das Erziehungsministerium vorgegeben. Lehrerinnen und Lehrer werden an staatlichen Hochschulen ausgebildet und einzelnen Schulen zugewiesen.
Das Erziehungsangebot für Kinder bis zum Schulalter wird unterteilt in Tagesstätten für Kinder bis vier Jahren und Kindergärten für Kinder von fünf bis sechs Jahren. Die Mehrzahl der Kindergärten und Tagesstätten sind privat. Während die Kindergärten dem Erziehungsministerium unterstellt sind, ist für Tagesstätten das Sozialministerium zuständig. Sowohl Tagesstätten als auch Kindergärten sind weniger reguliert als Schulen.
Doch seit Januar 1999 beschäftigt sich das Erziehungsministerium auch mit der Entwicklung eines Lehrplans für die Kindergartenpädagogik. Das Sozialministerium schreibt verpflichtende Ausbildungsseminare für Leiter und Mitarbeiter von Kindertagesstätten vor.
Erziehungstrends und öffentliche Meinung
Malaysien ist ein ambitioniertes Entwicklungsland, das sich auf wirtschaftliches Wachstum konzentriert, was sich deutlich auf das erziehungspolitische Klima auswirkt. Intellektuelle Fähigkeiten werden als Schlüsselqualifikation bewertet. Viele Kinder erhalten Nachhilfe, allein oder auch in Klassen, weil ihre Eltern daran glauben, dass der frühest mögliche Beginn der "Kopfarbeit" für die Zukunft der Kinder entscheidend ist. Kindergärten sind ein boomendes Geschäft. Sie konkurrieren um die beste frühe intellektuelle Entwicklung. Informationstechnologie wird von der Regierung schon im Kindergarten empfohlen und frühe Computerfähigkeit als unverzichtbar für die "New Economy" angesehen.
"Taska Nania" und Waldorfpädagogik in Malaysien
Waldorfpädagogik begann mit der Gründung des Taska Nania Waldorfkindergartens in Penang 1997 durch das Ehepaar Ong Kung Wai und Junko Suzumoto. Kung Wai hatte zwischen 1985 und 1994 biologisch-dynamische Tropenlandwirtschaft am Emerson College in England studiert, Junko Suzumoto bildete sich dort in den Jahren 1990 bis 1994 zur Waldorfkindergärtnerin aus. Einige Jahre nach ihrer Rückkehr nach Malaysien gründeten sie den Taska Nania Kindergarten, mit finanzieller Unterstützung der Freunde der Erziehungskunst, von Prof. Nakasawa und anderen Japanern. "Taska" ist auf malayisch eine Abkürzung für Kindertagesstätte. Der Kindergarten wurde als Kindertagesstätte registriert, weil es für solche keinen verpflichtenden Lehrplan und daher eine größere Entfaltungsmöglichkeit für die Waldorfpädagogik gibt. Taska Nania ist der einzige Waldorfkindergarten in Malaysien. Waldorfpädagogik ist dort bisher kaum bekannt und selbst Eltern, die ihre Kinder in den Taska Nania Kindergarten schicken, haben zuvor noch nichts von Waldorfpädagogik gehört.
Das erste Jahr begann mit einer gemischten Kindergruppe. Japanische, malayische und australische Kinder spielten zusammen und verständigten sich auf Englisch. Mit der Zeit nahm das Interesse japanischer Familien, die in Penang leben, derart zu, dass inzwischen vierundzwanzig japanische Kinder in den Kindergarten gehen und keine weiteren Kinder aufgenommen werden können. Gesprochen wird vornehmlich japanisch und auch die Ferien richten sich nach den Terminen des japanischen Schulkalenders.
Samstagsschule
Die Kinder besuchen den Waldorfkindergarten im Alter von drei bis sechs Jahren. Die Sechsjährigen lernen an einem Nachmittag der Woche schreiben, damit sie keine Schwierigkeiten beim Übergang in die Schule haben. Um auch für die malayischen Kinder aus der Umgebung etwas zu tun, gibt es seit Jahresende 2000 am Samstag Unterricht in englischer Sprache. Kinder gemischten Alters aus der Grundschule lernen zu malen und Puppen herzustellen. Zu den anderen Waldorfinitiativen im asiatischen Raum wird ein intensiver Kontakt gepflegt.
Entwicklungsperspektiven
Schon im zweiten Jahr seines Bestehens war der Taska Nania Waldorfkindergarten ausgebucht und hat inzwischen eine Warteliste. Um eine weitere Gruppe zu eröffnen, müsste aber ein neues Gebäude und eine weitere ausgebildete Kindergärtnerin gefunden werden. Zurzeit unterstützt der Kindergarten die Ausbildung einer früheren Praktikantin am "Melbourne Rudolf Steiner Teaching Seminar" in Australien.
Gleichzeitig gibt es mehr und mehr Eltern in Malaysien, die eine einseitige Konzentration auf intellektuelles Lernen im Kleinkindalter hinterfragen, weil ihre Kinder damit unglücklich sind. Dennoch ist die Zeit noch nicht reif, in Malaysien eine Waldorfschule zu gründen.
JUNKO SUZUMOTO
ONG KUNG WAI
Junko Suzumoto
Waldorflehrerin, Gründerin und Leiterin des Taska Nania Kindergartens in Malaysien.
Ong Kung Wai
Leiter einer Beratungsfirma für biologisch-dynamische Landwirtschaft.