Aus der Arbeit der Freunde der Erziehungskunst
Jeder Tag bei den Freunden der Erziehungskunst lenkt unser Bewußtsein auf die ganze Welt. Es kommen Telefonanrufe und E-Mails aus den verschiedensten Ländern, wir suchen z.B. eine Finanzierung für Schulgebäude in Rumänien, Tansania oder den Philippinen und so weiter...
Auf diese Weise haben wir gelernt, nicht nur abstrakt Weltbürger zu sein, sondern ganz konkret, indem wir in ein weltweites Netzwerk menschlicher Beziehungen eingebunden sind. Insofern ist unsere Arbeit ein Spiegel des modernen Bewußtseins, das sich ja gerade dadurch auszeichnet, dass es über die gesamte Welt gespannt ist. Nur ist dieses in der Regel nicht besonders tief. Wir versuchen, unserem Netzwerk Tiefe zu verleihen, die etwa durch reale menschliche Beziehungen zustande kommt.

Gegenseitige Unterstützung und Förderung braucht diese Tiefe, dieses Verständnis für die Andersartigkeit der Menschen und Kulturen, das freilassende Interesse für das Fremde. So bereichert jede Begegnung, jedes Gespräch die eigene Seele und die Arbeit. Diese Art der Qualitätsentwicklung mag sich der Messbarkeit entziehen, ist aber wirksam.
Höhepunkte der menschlichen Begegnungen und dieses Netzwerkes sind Reisen zu Schulen und Konferenzen. Im Folgenden sollen daher von drei dieser Ereignisse berichtet werden.
Lehrertagungen in Afrika...
Im Februar fand eine Lehrertagung in Dar es Salaam (Tansania) statt, bei der sich rund 90 Lehrer aus Kenia, Uganda und Tansania begegneten. Im Hof der Hekima Waldorfschule, die derzeit in einem Industrieviertel neben einer großen Stahlfabrik liegt, war ein großes Zelt aufgebaut, in dessen Schatten die Lehrer jeden Morgen zusammenkamen. Viele Anregungen wurden gegeben, viele Gespräche fanden beim Tee statt. Ein besonderes Ereignis war die Übergabe der ersten Diplome für ostafrikanische Waldorflehrer durch Peter van Alphen (Kapstadt) und Troels Ussing (Dänemark) im Auftrag der Pädagogischen Sektion.
Diese Ausbildung für ostafrikanische Pädagoginnen findet in Blockkursen an der Steinerschule in Nairobi statt und wurde durch die unermüdliche Arbeit von Peter van Alphen und Ann Sharfman aufgebaut. Die Freunde der Erziehungskunst haben seit mehreren Jahren insbesondere die Teilnahme der Lehrer aus Tansania ermöglicht. Welche Freude war nun in den Augen der ersten 10 Lehrerinnen und Erzieher dieser Ausbildung, als mit einem Festakt die Diplome verteilt wurden und jeder einzelne sie entgegennahm. Ein wichtiger Schritt zur Selbständigkeit war für die beteiligten Schule aus Kenia und Tansania geschafft.
...und Asien
Ein weiterer Höhepunkt war die zweite asiatische Waldorflehrertagung, die Ende April in einem Tagungszentrum nördlich von Bangkok (Thailand) stattfand. Vorausgegangen war in Bangkok die feierliche Eröffnung des Schulbaues der Panyotai Waldorfschule, durch den die Schule nach 12 Jahren illegaler Existenz endlich die staatliche Anerkennung erhielt. Die Freunde der Erziehungskunst und weitere Stiftungen haben erheblich dazu beigetragen, dass der einfache und bescheiden-schöne Bau finanziert werden konnte. Eltern, Lehrer und Schüler haben den Umzug in kürzester Zeit bewerkstelligt und feierten ein schönes Fest mit künstlerischen Beiträgen hoher Qualität.
Gleichzeitig mit der Fertigstellung des Baues und dem Umzug hatte das Kollegium diese zweite asiatische Waldorflehrertagung organisatorisch vorbereitet, zu der 220 Menschen anreisten. Die inhaltliche Vorbereitung lag wieder bei den Freunden der Erziehungskunst. In den Morgenvorträgen gab Christof Wiechert, Leiter der Pädagogischen Sektion, eine praktische Einführung in die menschenkundlichen Grundlagen der Waldorfpädagogik. Seine Bilder waren menschheitlich und konnten von allen direkt aufgegriffen werden. Die Begeisterung für die eigene pädagogische Arbeit war sofort geweckt! Kurse zur Pädagogik einzelner Klassenstufen und künstlerische Kurse trugen zur Vertiefung des eigenen Verständnisses bei. An den Abenden zeigten Lehrer aus zwölf verschiedenen Ländern Asiens Beiträge und Aufführungen aus ihren Kulturen, die große Begeisterung und oft ein herzliches Lachen hervorriefen. Von Tag zu Tag wurden die Gespräche intensiver und die Pausen reichten nicht mehr. In zwei Jahren wird diese Zusammenarbeit auf den Philippinen fortgesetzt.
Grundsteinlegung in Beirut
Am 19. Juli fand die Grundsteinlegung des Baues der heilpädagogischen Schule in Beirut (Libanon) statt. Warum dieses Datum mitten in den Ferien? Wir hatten für diesen Bau einen Antrag beim Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gestellt, der genehmigt worden war. Während der Vorbereitung eines Libanonbesuches von Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul entstand die Idee, sie zur Feier der Grundsteinlegung einzuladen. Schnell wurde alles vorbereitet, die Zufahrtswege in Ordnung gebracht und der bereits im Rohbau errichtete Kindergarten geschmückt. So fand eben am 19. Juli ein großes Fest statt, bei dem Frau Dr. Merhej (seit 30 Jahren Initiatorin dieser heilpädagogischen Arbeit) und Reem Mouawad (Leiterin der FISTA Schule) beglückt auf diesen wichtigen neuen Schritt schauen konnten. Da die neue Schule außerhalb von Beirut in einem ruhigen Tal liegt, wird sie – so die große Hoffnung – von den immer wieder aufflammenden bürgerkriegsähnlichen Unruhen kaum betroffen sein und einen ruhigen und sicheren Ort für die Kinder und Jugendlichen bilden. Wir alle waren glücklich, der Ministerin dort zu begegnen und ihre menschlich herzliche Art zu erleben.
Nana Göbel