Wo arme und reichere Kinder gemeinsam lernen
Am südöstlichen Rand Limas, wo schon die schroffe, felsige Wüstenlandschaft der Anden beginnt, entstand 1992 die Waldorfschule Cieneguilla. Die über 200 Schüler kommen meist aus der armen Bevölkerung: Kinder von Landarbeitern, Wächtern, Kleinhändlern oder Hausangestellten, die ihr Leben mit 150-200 Euro im Monat bestreiten.
Die meisten unserer Schülerinnen und Schüler kommen aus so armen Familien, daß oft schon der Kauf eines Bleistiftes oder eines Heftes ein Problem ist. Manche Eltern können nur rudimentär lesen und schreiben. Die Kinder müssen dann wichtige Aufgaben in der Familie übernehmen. Es sind überwiegend wohlerzogene, respektvolle Kinder, die jede geistige Anregung mit großer Dankbarkeit entgegennehmen. Das macht das Arbeiten hier ungemein fruchtbar. Eine „Null-Bock-Stimmung“ unter den Jugendlichen habe ich nur selten erlebt.

Auch Kinder aus wohlhabenderen Familien mit regelmäßigem Einkommen besuchen die Waldorfschule Cieneguilla – wir sind eine der ganz wenigen peruanischen Schulen, wo sich Arme und Reichere wirklich treffen.
Ein wichtiger Teil des Unterrichts ist die Musik. Mit den wenigen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, bauen wir ein Orchester auf: Mehrere Kinder spielen Geige, Cello und Trompete. Zusammen mit den Blockflöten entsteht schon ein wunderschöner Klangkörper. Bei kleinen Konzerten zum Basar oder anderen Festen zeigen die Kinder ihr Können, und zweimal beeindruckten sie auch schon ein Publikum bei öffentlichen Veranstaltungen in Cieneguilla. Das erfüllt die Schüler mit Genugtuung und Stolz!
Ein Höhepunkt des letzten Jahres war die Einweihung unseres kleinen Saales, der mit Spendengeldern schließlich realisiert werden konnte. Es kamen die Honoratioren aus Cieneguilla und Lima: der Bürgermeister, der Polizeichef, der deutsche Botschafter. Ein kleines Konzert mit dem Schülerorchester und dem Schulchor gab der Veranstaltung den musikalischen Rahmen. Auch diese hohen Gäste waren sehr beeindruckt von den Leistungen unserer Schüler.
Diese ganze künstlerische Arbeit ist in Peru sonst eher unbekannt. Wir hoffen, daß wir auch künftig viele wertvolle Impulse geben können!
In den oberen Klassen bietet die Schule auch Kurse zur Berufsvorbereitung an: Schneidern, Töpfern, Herstellung von Schmuck. Das Angebot wird ständig erweitert oder verändert. Neben der pädagogischen Intention hat dies hier einen ganz lebenspraktischen Wert: Viele Schüler können sich keine weitere Ausbildung leisten. Für sie ist dieser Unterricht eine wertvolle Vorbereitung für das Berufsleben.
Barbara Gmeindl