Eine „Sonnenblume“ für 20 arme Kinder
Christoph und Annelien Meier sind seit über vierzig Jahren in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft tätig – immer im Zusammenhang von Heilpädagogik und Waldorfschule. 1994 zogen sie in die Dominikanische Republik, bauten eine Finca mit Bananen und Mangos und eine Exportfirma auf – und eröffneten schließlich den Kindergarten „Girasol“ (Sonnenblume).
Als wir uns langsam in unsere neue Heimat Dominikanische Republik einlebten, wurde uns bewußt, daß wir nicht nur wirtschaftlich tätig sein, sondern zusätzlich zur biologisch-dynamischen Landwirtschaft auch soziale und kulturelle Impulse fördern wollten. Wir beide hatten selbst eine Waldorfschule besucht, hatten Kinder und erlebten die Armseligkeit der hiesigen Schulen - und so kam, zumal auch zuhause die Erziehung viel zu wünschen übrig ließ, bald die Idee einer Waldorfinitiative auf.

Wir machten unsere Intentionen bekannt und bekamen verschiedene Besuche von Waldorflehrern, doch eine Pionierpersönlichkeit fand sich nicht.
Der Beginn - finanziert durch Bananen
Dann brachte die Initiative eines unserer Kunden einen neuen Anstoß: Ein deutscher Naturkost-Großhandel sponserte unsere Bananen, so daß 1,5 Cent je verkaufter Banane in unsere Stiftung fließt. Dieses Modell der Schulfinanzierung erinnert an den Beginn der ersten Waldorfschule 1919 für die Arbeiterkinder der "Waldorf Astoria" Zigarettenfabrik!
So intensivierten wir unsere Suche nach einer Gründungs-Kindergärtnerin. Wir hatten schon längere Zeit Kontakt mit einer heimischen Eurythmistin, Mayelin Guerrero, die sich in den letzten Jahren mit der Waldorfpädagogik vertraut gemacht hatte. Nun war sie bereit, auch ohne Ausbildung einen Kindergarten aufzubauen.
Zum Glück kam dann im letzten Jahr auch für drei Wochen eine erfahrene Kindergärtnerin aus Spring Valley (USA) und brachte den Kindern nicht nur künstlerisches Tun, sondern auch Handwerk und Landwirtschaft nahe. In diesem Jahr wird uns eine Kindergärtnerin aus Kolumbien eine Woche lang begleiten. All diese Arbeitsbesuche bringen beträchtliche Fortschritte und neue Inspirationen.
Unsere ganze Initiative steht vor der Schwierigkeit, daß wir zunächst weder erfahrene Kollegen noch eine verständnisvolle oder gar engagierte Elternschaft haben. Und doch sind wir überzeugt, daß die Schutzengel der Kinder diese Waldorfinitiative wollen! Wohl gibt es im Land eine aus Schweden unterstützte Initiative, die einzelne Waldorfkurse für Staatsschullehrer durchführt, und in der Hauptstadt Santo Domingo einen Kindergarten mit Waldorfelelementen, aber auch diese Initiativen sind noch sehr keimhaft.
Wir selber sind Landwirte und keine Lehrer, aber wir können die finanzielle Grundlage und moralische sowie praktische Unterstützung für unsere Waldorfinitiative bieten!
23 Kinder - und schwere Schicksale
Zur Zeit haben wir 23 Kinder, darunter vier Haitianer, drei Kinder der sogenannten Mittelklasse, alle übrigen aus sehr armen Verhältnissen. Viele Eltern sind Analphabeten und einige Väter (falls solche da sind) leider auch Alkoholiker. Es gibt hier auf dem Lande keine “heile Welt” mehr, sie ist eher zu vergleichen mit städtischen Slumverhältnissen.
Ein typisches Schicksal ist das des siebenjahrigen Moises: Er ist im zweiten Kindergartenjahr bei uns und hat noch vier ältere Geschwister.
Moises´ Vater war Feldarbeiter. Nach der Arbeit machte er täglich entlang der Hauptstraße einen Spaziergang zu seinem “Schlückchen”. Die Mutter hatte die Familie schon seit Jahren verlassen, da der Vater gewalttätig war, konnte aber die Kinder nicht mitnehmen, weil sie sie nicht unterhalten konnte.
Am zweiten Januar verunglückte der Vater vor den Augen der Kinder auf der Straße, der Autofahrer hielt nicht einmal an. Die Kinder wurden daraufhin unter der Verwandtschaft verteilt, zum Teil als Haushaltshilfen in die Hauptstadt. Zum Glück tauchte die Mutter wieder auf und bat uns um Hilfe. Wir boten ihr ein kleines Häuschen auf unserer Finca, Arbeit für ihren jetzigen Partner und ein kleines Anfangskapital, damit Moises den Kindergarten weiter besuchen und die größeren Kinder in die Volksschule zurückkehren können...
Zur Verwirklichung unseres Traumes einer Waldorfschule ist wohl noch ein weiter Weg, aber wenigsten ein kleiner Samen ist in diese kulturelle Wüste und in die Herzen dieser Kinder gelegt worden. Auf jeden Fall gibt es jetzt 23 Kinder, die jeden Morgen freudig auf den kleinen Schulbus warten, der sie zum “Jardin de Ninos” fährt, wo sie vier Stunden spielen, malen, zeichnen, Geschichten hören und - ganz wichtig - zusammen am Tisch essen: alles Erfahrungen die es sonst nicht in ihrem Leben gäbe.
Ideal - und auch eine Notwendigkeit - wäre es, wenn auch eine Schul- und Wohngemeinschaft für Waisenkinder entstehen könnte, aber dazu brauchte es außergewöhnliche und sehr idealistische Pionier-Persönlichkeiten.
Wir hoffen zunächst, dieses Jahr eine zweite Gruppe für 24 Kinder anfangen und bald mit dem Bau eines richtigen Kindergartengebäudes beginnen zu können. Welche ausgebildete Kindergärtnerin kann uns helfen?
Christoph und Annelien Meier