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Waldorf in Griechenland

Es gibt Hunderte von Waldorfschulen weltweit, auch in nahezu allen Ländern Europas – warum dann nicht in Griechenland, der "Wiege der Pädagogik"? Diese Frage hatte ich bereits, als ich als junger Vater in Schweden der Waldorfpädagogik begegnete...

Es war in den späten 70er Jahren, meine erste Tochter besuchte denWaldorfkindergarten der Martinskolan in Stockholm. Später unterrichtete ich selbst Naturwissenschaften an dieser Schule, dann auch an anderen Schulen und am Waldorfseminar in Järna.

Seit über sieben Jahren bin ich nun in Griechenland für die Idee der Waldorfpädagogik aktiv.

Heute steht jedem eine Fülle an Information über diese Pädagogik offen. Viele wunderbare Bücher, Broschüren und Internetseiten stellen bestehende Schulen in Mittel- und Nordeuropa vor. Wer würde da nicht für sein Kind eine solche Schule erträumen? Und es scheint mit Hilfe all der praktischen Ratschläge nicht unmöglich, selbst eine Schule zu gründen!

Doch wenn man in einer "alteingesessenen" Schule in Schweden tätig ist, kann man auch erleben, wie viele Details mit dem Leben einer solchen Schule verknüpft sind. Was sich da entwickelt hat, ist die Frucht kultureller Anstrengungen vieler, vieler Menschen. Nicht nur die Schulgründung selbst – schon vorher haben Menschen geforscht und gesammelt: Lieder, Geschichten, Erzählungen... Sie haben Fähigkeiten entwickelt: Handarbeit, soziales Miteinander, Verwaltung... Es gibt Schulärzte, kreative Eurythmisten und vieles andere. All dies ist der Schatz, den eine Schule zur Verwirklichung ihrer pädagogischen Ziele braucht und ge-brauchen kann. Ohne dies geht es nicht. Und die Mutter von allem ist die Anthroposophie.

Schauen wir nun auf unser Land. Es gibt nur sehr wenige Anthroposophen. Noch vor 15 Jahren war so gut wie nichts über Anthroposophie zu erfahren. 1989 stieß ich auf ein kleines Büchlein Steiners: "Praktische Ausbildung des Denkens". Bald nach dessen Veröffentlichung entstand ein kleiner Kreis interessierter Menschen. Erste Anfänge...

Im Jahr 1998 traf ich Sophia Rizou, als sie den Mut hatte, fast alleine einen kleinen Kindergarten in Athen zu eröffnen. Sie hatte als Stewardeß gearbeitet und, als ihre Pensionierung bevorstand, eine dreijährige Erzieherinnenausbildung gemacht und dann in England eine Fortbildung zur Waldorfpädagogin. Ihre Entschlossenheit und Tatkraft erklärten sich nur aus ihrer Liebe zu Kindern und ihrer starken Beziehung zur Anthroposophie. Doch ihre kleine Initiative traf sogleich auf Schwierigkeiten: ungenügendes Bewußtsein der Eltern, mangelnde Unterstützung. Der erste Versuch scheiterte.

Der nächste Schritt war, möglichst viele Eltern und Lehrer über die Waldorfpädagogik zu informieren. Im Herbst 2000 gründeten wir den Verein "Freunde der Waldorfpädagogik", der heute 60 Mitglieder hat. Zwei Jahre lang, zwischen 2000 und 2002, veranstalteten wir fast jeden Monat Wochenend-Seminare zu vielen verschiedenen Themen. Wir luden auch Dozenten aus dem Ausland ein, die uns mit ihrem Wissen und manchmal sogar finanziell unterstützten.

Langsam, aber doch allmählich, wuchs das Interesse in Griechenland, und das Wort "Waldorf" war vielen Menschen nicht mehr fremd. Wir fühlten den Bedarf nach einem Kindergarten und einer Schule. Aber wo waren die Lehrer? Eines abends tauchte auf unserem Vereinstreffen ein neuer Gedanke auf: eine reguläre Ausbildung in Griechenland! Wir nahmen Kontakt mit anderen Seminaren auf, erarbeiteten ein Studienprogramm – und dann begann eine Gruppe von Menschen mit wöchentlichem Studium und Wochenend-Seminaren.

Das ganze war ein ehrgeiziges Projekt. Doch nach zwei Jahren intensiver Arbeit zeigte es sich, daß es nicht zum Ziel führte. Keiner der Studenten wollte den Weg zuende gehen und Lehrer werden. Jedem schien das Ziel zu entfernt. Das Seminar wurde mehr und mehr zu einer Studiengruppe...

Währenddessen hatten andere Landsleute in England studiert, etwa Katerina Vlachou (Sprache und Drama) und Eleftheria Tzamarou (Eurythmie). Unser von der Anthroposophie inspirierter Kreis wuchs. Eine Schule schien noch weit von der Realisierung entfernt. Nicht so der Kindergarten:

Neben Sophia hatte eine weitere Erzieherin eine Ausbildung in England gemacht: Konstantina "Nantia" Billeri. So begannen wir drei 2001 mit einer kleinen Gruppe von drei bis sechs Kindern in Nantias Wohnung zu arbeiten. Während des folgenden Jahres legten wir Grundlagen für die künftige Arbeit, sammelten Lieder, Geschichten, Spiele, gestalteten Jahresfeste und vieles mehr. Die Eltern waren begeistert und sahen die Früchte unserer Arbeit.

Was hätte der nächste Schritt sein können, wenn nicht die Eröffnung eines offiziellen Kindergartens? Das bedeutete den Schritt in die Öffentlichkeit. Regeln, Gesetze, Ökonomie, Traditionen, Meinungen, ja Vorurteile kamen ins Spiel. Dafür ist ein Lehrer nicht immer ausgebildet. Mehr Wissen war nötig. Was ist eine Gesellschaft? Was ist Ökonomie? Welche Entscheidung hat welche Konsequenzen? Wo sind Kompromisse möglich? Die Kindergarteninitiative konnte jenen nächsten Schritt nicht gehen, weil Probleme dieser Art noch zu mächtig waren.

Und so gingen wir die neuen Fragen an: Welche Strukturen würden der sozialen Dreigliederung entsprechen? Wer könnte hier helfen? Was waren Besonderheiten der griechischen Volksseele? Diese und viele andere Fragen müssen wir klären, wenn wir zugleich den eigenen Enthusiasmus bewahren und in bewußter Weise nach außen treten wollen.

Hier kommen wir zu einer schwierigeren Frage. Warum sind die anthroposophischen Aktivitäten in Griechenland erst ziemlich schwach entwickelt? Das ist nicht so einfach in wenigen Worten zu sagen. Doch bedenken wir, daß die alte griechische Kultur noch auf die heutigen Menschen ausstrahlt. Es gibt für jeden Griechen einen Impuls, ein Denker und "Philo-soph" zu sein. Der Grieche möchte durch das Denken die Gründe eines jeden Phänomens finden und verstehen. Und es ist oft so, daß sich jemand über eine Sache gedanklich sehr klar ist – aber wenn es ans Handeln geht, wird es vage und zufällig. Vergleichen wir damit die Seele der Mittel- und Nordeuropäer, ist bei ihnen die Lebensweisheit mehr an den Willen und das Ich angebunden.

Kurz gesagt, parallel zu einer Waldorfschul-Initiative brauchen wir eine stärkere anthroposophische Bewegung. Waldorfschule ist nicht irgendeine Alternativpädagogik, sondern ihre Lehrer pflegen die Geisteswissenschaft und diese Arbeit gibt die richtigen Impulse für das tägliche Handeln.

Ende 2004 schlossen sich einige Anthroposophen zu einer festen Gruppe zusammen, die später hoffentlich zu einer eigenen griechischen Sektion der Anthroposophischen Gesellschaft werden wird. Daneben gibt es weiterhin einige Studiengruppen, etwa zur goetheanistischen Wissenschaft oder zur anthroposophischen Medizin. Seit Jahren schon gibt es eine sozialtherapeutische Einrichtung bei Delphi. Die waldorforientierten Freizeit-Aktivitäten von George Lignos in einem Städtchen nordwestlich von Athen haben dort viel Beachtung gefunden. Die biodynamische Landwirtschaft ist ausgehend von einer Farm in Thessaloniki und dank der Pionierarbeit von Gabriel Panagos inzwischen landesweit bekannt.

Seit 16 Jahren nun schon findet jeden Sommer ein anthroposophisches Symposium statt, auf dem sich all die verschiedenen Initiativen treffen und austauschen. In dem Maße, in dem diese Bewegung stärker wird, wächst auch die notwendige Grundlage für die Waldorfpädagogik.

Im letzten Jahr ergriffen wiederum einige Menschen die Initiative zu einer Waldorf-Kindergruppe. Sie fanden eine erfahrene Erzieherin aus Basel, die seit September mit sieben Kindern arbeitet. Die Initiative plant, unter der Bezeichnung "kreative Aktivitäten für Kinder" offiziell zu werden, was mit bis zu 10 Kindern möglich ist.

Freie Schulen sind in der griechischen Gesetzgebung bisher überhaupt nicht vorgesehen. Eine weitere große Hürde ist, daß Lehrer und leitende Kindergärtnerinnen einen entsprechenden Hochschul-Abschluß haben müssen. Schon im Kindergarten-Bereich ist Sophia Rizou derzeit die einzige Waldorferzieherin mit einer gültigen staatlichen Ausbildung. Wir beide warten gerade auf die Bau-Erlaubnis für ein Haus östlich von Athen, das dann einen regulären Kindergarten aufnehmen soll.

Die Zeit ist reif für die Waldorfpädagogik, aber die Umstände noch sehr wenig. Doch die zeitgemäße Pädagogik wird auch nach Griechenland kommen...

Michalis Tsigotsides (übers. hn)

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