Unter den Sternen von Manila
Der Alltag eines Waldorflehrers kann mit vielen Höhepunkten gefüllt sein – eigene Erfahrungen des Lernens, wundervolle Augenblicke mit den Schülern und Kollegen, plötzliche Inspirationen – und Zeiten, in denen man sich wahrhaft im Einklang mit seinem Beruf fühlen kann. Das ist die eine Seite. Doch wie geht man mit der anderen um?
Die andere Seite - das sind lange Strecken, wo man sich sogar unter Freunden völlig alleinfühlen kann. Ringend mit den ungeheuren Herausforderungen eines sich ständig ändernden Stoffes, den man sich eigentlich bereits zueigen machen und in einen künstlerischen, seelen-erfüllten und lebendigen Unterricht verwandeln sollte. Und wenn man daran denkt, daß auch die Familie nach ihrem Anteil an Aufmerksamkeit verlangt...

Manila ist eine der größten Metropolen der Welt. Überall Menschen, ein wahrer Verkehrs-Alptraum und ungeheurer Mangel von Parks und Natur, in denen man für Momente allein sein könnte... Durch diesen Irrgarten von hupenden Autos, Motorrädern und Bussen mit schmetternden Lautsprechern versuchen die Lehrer der Manila Waldorfschule täglich rechtzeitig zum gemeinsamen Morgenspruch in ihrer Schule zu sein.
Mit einem Moment der Stille begonnen, entfaltet sich der Schultag. Die Lehrer gehen zu den Klassenräumen, machen ihre letzten Vorbereitungen und dann: „It´s show time.“ Draußen die Geräuschkulisse eines naheliegenden Schießplatzes. Dann fährt der Müllwagen durch die Straße und rüttelt jeden mit seinem Lärm auf. Der Eisverkäufer spielt seine Konservenmusik, eine Polizeisirene heult auf. Der Regen gießt vom Himmel (es ist Taifun-Zeit)...
Wie hält sich jemand dabei gesund? Die moderne Frage der „Salutogenesis“ liegt im Herzen der Waldorfpädagogik. Den Kindern helfen, richtig zu atmen, ist eine der Hauptaufgaben des Lehrers. Und er selbst inmitten des äußeren Drucks – und des inneren, immer sein Bestes zu tun? Wo ist der Ort, wo der Lehrer einmal ausatmen kann, seine Gedanken teilen, inspirierenden Ideen zuhören?
Wir faßten den Plan zu einem Abend der Poesie, der uns über die Routine des Alltags hinausheben könnte. An einem Freitagabend versammelten wir uns auf dem Rasen vor dem Kindergarten, setzten uns in einem Kreis und zündeten um uns herum Kerzen an. Wir tranken Tee und lasen uns unsere eigenen Verse oder andere Gedichte vor, lachten, scherzten, sangen und sprachen über Dinge, die uns angingen und uns interessierten. Über uns leuchteten die Sterne...
Mit Freude und Licht im Herzen gingen wir auseinander und freuten uns auf das nächste Mal. Dies ist unser Weg zu einem inneren Freiraum in dieser Millionenstadt. Wir nannten den Abend: „Laßt unsere Seelen emporsteigen!“ Und das taten sie wirklich.
Grace Zozobrado (übersetzt hn)