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Das chinesische Denken – und das Leid der Schüler

Das Leben in den Städten Chinas ist sehr gehetzt. Jeder versucht, möglichst vielen Chancen gleichzeitig hinterherzulaufen, und glaubt, sich und seiner Familie die größtmöglichen Vorteile sichern zu müssen. Zugleich ist die Tradition noch stark, und jeder hat das Bedürfnis, einem System anzugehören, in dem er Anerkennung findet.

Das Gefühl ist in China bestimmender als im Westen – und in abgelegeneren Gegenden findet man noch eine große Herzlichkeit gegenüber allem, was von außen kommt. Logisches Denken ist den Chinesen sehr unangenehm. Zwar hat ihre Kunst wenig Farbe und ausgeprägte Formen, auch die Schrift besteht aus lauter Vorstellungen, diese sind aber sehr bildhaft, nicht logisch. Und kaum vorhanden ist der Wille, die überall vorhandenen schönen Worte auch umzusetzen.

Das Bildungssystem betont dagegen das abstrakte Denken. Die Schüler müssen das eigene gefühlsreiche Denken aufgeben und überlegen, was der Prüfer wohl gedacht haben mag. So bewegt sich das Vorstellen und Denken der Chinesen in vorgegebenen Schemen. Sie glauben seit Jahrtausenden lieber an Führerpersönlichkeiten, die für sie denken.

In den Städten gibt es nach der Schule noch „Hobby-Stunden“, in denen in Wirklichkeit für Extra-Zertifikate gepaukt wird, um die Stolz-Bedürfnisse der Eltern zu befriedigen. Diese erlauben ihren Kindern keine Ideale, denn wenn man in China nicht selbst ausnutzt, wird man ausgenutzt – so sagen sie. Doch die Kinder fühlen oft, daß sie sich selbst, ihre eigene Seele, für die materialistischen Hoffnungen ihrer Eltern aufgeben müssen. Die Selbstmord­raten in den Elite-Universitäten offenbaren den seelischen Druck... die Regierung versucht schon länger etwas zu ändern, nur hat auch sie keine Ideen. Zusatzstunden, Notenvergleiche, Hausaufgaben – alles wurde bereits verboten. Doch die Angst der Eltern und der Wettbewerb unter den Schulen machen alle Reformversuche unwirksam.

Die neue Generation ist vielleicht dreimal so intelligent wie die vorangegangene, aber ihr fehlt das erlebende Bewußtsein für die Folgen des eigenen Handelns. Der Bruch zwischen Umwelt und eigenem Bewußtsein – das Rubikon-Ereignis – ist noch nicht vollendet, weshalb z.B. auch die Umweltverschmutzung als etwas sehr natürliches hingenommen wird.

Die Städter sehen zwar die Probleme ziemlich klar, doch niemand will aus dem System herausfallen. Alle rennen mit, aus Angst vor persönlichen Nachteilen.

Es kann sich nur etwas ändern, wenn die Menschen lernen, wirklich bewußt erlebend wahrzunehmen und dann aus der Wahrnehmung heraus eigene freie Gedanken zu fassen. Dann bestünde Hoffnung auf Veränderung...

Eckart Loewe

Der Autor ist ehemaliger Waldorfschüler und lebt seit 8 Jahren in China.

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Häufiggestellte Fragen über den Freiwilligendienst