Eriwan: Schwere Vergangenheit, unsichere Zukunft
Erst von einem liberalen Erziehungsminister genehmigt, dann von einem mißgünstigen Direktor bekämpft, nun trotz niedrigster Gehälter in Richtung Privatschule gedrängt – die einzige Waldorfschule Armeniens blickt einer schwierigen Zukunft entgegen.
Anknüpfend an Gedanken einer freiheitlichen Pädagogik in den 20er Jahren wurde 1992 nach Ende des Sowjetregimes die Waldorfschule Eriwan gegründet. Sie ist Teil der staatlichen Schule Nr. 30 und hat heute 230 Kinder.
Während der ersten Jahre gab es keinerlei Probleme mit dem Staat. Hilfe kam schon in dieser Zeit besonders aus Überlingen. Von Anfang an war Elisabeth Wilde als Gründungsbegleiterin am Schicksal der Schule lebhaft beteiligt.

1999 wurde die Abhängigkeit vom Direktor der staatlichen Schule immer problematischer. Eine Kommission führte umfangreiche Kontrollen durch und der Lehrplan musste genehmigt werden. Danach durfte die Waldorfschule eine neue erste Klasse eröffnen. Es sollte jedoch noch schlimmer kommen.
Der Direktor begann, in den Medien die Schule zu bekämpfen. Die Eltern aber standen geschlossen hinter „ihrer“ Schule, kein Kind wurde abgemeldet. Der Konflikt führte zu heftigen Auseinandersetzungen mit dem Ministerium bis hin zum Präsidialbüro. Am Ende erhielt die Waldorfschule vom Bildungsminister ihren Experimentalstatus bestätigt.
Dennoch wünschen die Schulbehörden heute unbedingt – ähnlich wie in vergleichbaren Ländern – eine Privatisierung der Waldorfschule, vornehmlich um Geld zu sparen. Das aber würde das Aus bedeuten, weil die Eltern den Schulbetrieb nicht finanzieren können. Schon jetzt bezahlen sie für Renovierungen, Heizung und Schulmaterial.
Die Gehaltskosten der Schule betragen etwa 3.000 € im Monat. Ein staatliches Lehrergehalt liegt bei 20-30 US$, wovon niemand leben kann, da die Entwicklung der Lebenshaltungskosten in keinem Verhältnis zu den Gehältern steht. Nicht nur hier: In Russland etwa gibt es fast nur Lehrerinnen, deren Familien durch die Gehälter ihrer Ehemänner überleben. In Eriwan unterrichten aber auch Männer. Wenn jedoch Familien von einem Lehrergehalt leben sollen, muß dies mindestens 150-200 € betragen.
Seit vielen Jahren hilft der Verein Ararat aus Überlingen, ist aber an gewisse Grenzen gelangt. Auch wenn wir uns in der Regel nicht an laufenden Kosten einer Schule beteiligen, da wir Abhängigkeiten vermeiden und die selbständige Lebensfähigkeit im jeweiligen Land stärken wollen, sind wir derzeit sehr bemüht, für die Waldorfschule Eriwan Hilfe zu finden und sie auf ihrem Weg durch die Verstrickungen der Schulbürokratie zu begleiten.
Nana Göbel