Die Waldorfschulen in Mexiko
Mexiko hat rund 100 Millionen Einwohner, davon leben allein 30 Millionen in Mexico City – der größten Stadt der Erde. Armut, Korruption und Kriminalität sind allgegenwärtig, der Bildungsgrad meist sehr niedrig. Eine Handvoll Waldorfschulen stellt sich diesen Problemen.
Die erste Waldorfschule in Mexiko wurde 1957 in Mexico City gegründet (damals gab es selbst in den USA nicht einmal ein Dutzend Schulen), mußte aber aus ökonomischen Gründen wieder schließen. Eine Neugründung im Jahr 1971 bestand aus politischen Gründen nur vier Jahre. 1986 eröffnete dann zum dritten Mal – und nun dauerhaft – eine Waldorfschule in der Hauptstadt. Sie liegt etwas außerhalb im verrufenen Stadtteil Coxyoacan in kleinen Räumlichkeiten und hat zur Zeit 40 Schüler in den Klassen 1-4 und 6.

1989 wurde in Cuernavaca eine bestehende Montessori-Schule auf die Waldorfpädagogik umgestellt. Auch in dieser Stadt ist die Kriminalität hoch (fünf Kinder der Waldorfschule waren bereits von Entführungen betroffen). Als 1998 mit Klasse 7 der Aufbau der Oberstufe begann, wuchs die Schülerzahl schnell auf 220. Dann aber kam es zu einem längeren internen Konflikt und im letzten Jahr zur Schließung der Oberstufe. Diffamierende Medienberichte trugen dazu bei, daß die Schülerzahl auf etwa 120 zurückging.
Das Centro Antroposofico in Cuernavaca betreibt eine regelmäßige Lehrerbildung. Seit 2001 gibt es jährlich einen dreiwöchigen Sommerkurs, an dem jeweils über 70 Menschen teilnahmen, darunter auch Studenten aus El Salvador und der Dominikanischen Republik. Dabei ist es insbesondere für die Waldorflehrer ein ständiges Problem, die Reise- und Kurskosten aufzubringen.
Eine weitere Waldorfschule entstand 1994 in der Universitätsstadt Guanajuato. In einer gemieteten Villa mit sehr kleinen Räumen werden heute 66 Kinder unterrichtet, viele davon mit Verhaltensproblemen. Aufgrund des guten Rufes der Schule kommen regelmäßig Studenten zum Praktikum.
1996 und 1998 begannen zwei weitere Waldorfschulen ihre Arbeit in San Miguel de Allende (heute 44 Kinder in den Klassen 1, 3, 4 und 5/6) und in Tlaxcala (rund 100 Kinder in sechs Klassen). Die Schule in Tlaxcala wurde von Isabel Fenelon eröffnet, die schon dem Gründerkreis der Schule in Mexiko City angehörte. Neben ihrer Lehrtätigkeit hält sie Vorträge im ganzen Land und plant den Aufbau einer staatlich anerkannten Waldorflehrerbildung. Ihre Schule ist in Tlaxcala sehr geschätzt, was u.a. auf Erfolgen bei sehr „schwierigen“ Kindern beruht. Viele Eltern unternehmen große Anstrengungen, um das Schulgeld von 90 Dollar aufzubringen.
In den anderen Schulen liegt der Elternbeitrag noch höher, was sehr oft nur die etwas reicheren Familien bezahlen können. Aufgrund der geringen Schülerzahlen liegen die Lehrergehälter wiederum teilweise bei nur 400 $, was nur dann zum Leben reicht, wenn man etwa noch bei den Eltern wohnt.
Bernd Ruf